4. Außenwirtschaftstag 2015: Globale Herausforderungen – Lösungen aus Deutschland

4. Außenwirtschaftstag Architektur, Planen und Bauen am 28. Januar 2015 im Auswärtigen Amt. Der Bund Deutscher Innenarchitekten (BDIA) beteiligte sich als tragender Verband in Zusammenarbeit mit weiteren Verbänden zum zweiten Mal an dieser wichtigen Netzwerkerveranstaltung. Der weltweite Zuzug in die Städte, der Klimawandel, die Notwendigkeit zu CO2-neutralen Lebensstilen und die demografischen Entwicklungen stellen Politik, Verwaltung, planende Berufe und Bauwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Diesen Herausforderung muss und kann gemeinschaftlich, interdisziplinär und international begegnet werden.

Die Teilnehmenden nutzten den Tag, um sich zu informieren, zu diskutieren und Position zu beziehen. Der Außenwirtschaftstag bleibt damit wichtigstes Format für die Branche, um der Politik erneut zu zeigen, welches Potenzial die deutsche Planungs- und Bauwirtschaft hat – und welche Unterstützung oder Förderung für die Zukunft unerlässlich ist.

Herzstück: die Workshops

Herzstück der Veranstaltung waren die zehn thematischen Workshops, in denen umfassend Erkenntnisse gesammelt wurden, die nun im Nachgang seitens der beteiligten Verbände in einem gemeinsamen Papier an die zuständigen Ministerien zusammengefasst werden. Die Politik ist angewiesen auf Inhalte aus der Praxis, um entsprechend agieren und unterstützen zu können. Verbände sind ein entscheidender Katalysator, um sinnvolle Synergien innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette Bau zu fördern. Die Workshops zeigten: Exportfinanzierung, Korruption oder Building Information Modeling (BIM) sind Stichworte, die alle planenden und bauenden Berufe betreffen. Wie steht es um die Nachhaltigkeitsinitiativen in China und welche Regionen in Afrika bieten Chancen? Welche Vertragsinhalte sind unverzichtbar und welche internationalen Streitlösungsinstrumente können genutzt werden?

Konkretes Wissen teilen

Constantin von Mirbach, Bundesgeschäftsführer des BDIA leitete am Vormittag den Workshop: „Vergabe, Verträge, Streitlösungen – Steuerungsinstrumente für mehr Sicherheit und Transparenz“.

Für ein erfolgreiches Auslandsgeschäft müssen Risiken beherrschbar bleiben. Gute Verträge können hierbei helfen. Doch was definiert einen „guten“, einen realistischen Vertrag? Wie sind die Erfahrungen mit Schiedsgerichten, falls es zum Streit kommt? BDIA Innenarchitektin Sophie Green diskutierte mit ihren Kollegen aus Ingenieurswesen und Hochbau, Prof. Dr. Mike Schlaich und Prof. Dr. Bert Bielefeld, dass der Erfolg im Ausland vor allem und grundsätzlich von zwischenmenschlichen Fähigkeiten, den vielbeschworenen und nicht zu unterschätzenden „soft skills“ beeinflusst wird – von den Vertragsverhandlungen bis zur Umsetzung des Bauprojekts. Der klassische Handschlag beruhigt den einen, verunsichert aber den anderen. Südländisches Temperament oder nordische Reserviertheit – der Vertragspartner sollte gut eingeschätzt werden und Planer müssen über Sensibilität und Flexibilität verfügen, dennoch auf keinen Fall auf geduldiges (Vertrags-)Papier verzichten.

Die Erfahrungen der Diskutanten zeigten, dass deutsche Planer im Ausland nicht immer direkt dem Bauherren vertraglich verpflichtet sind, sondern häufig mit Bauunternehmen oder lokalen Kontaktplanern. Und zu oft werden deutsche Planer erst bezahlt, wenn wiederum ihr Vertragspartner vom Bauherren bezahlt wird. Diese Abhängigkeit führt leider zu langen Wartezeiten auf’s Honorar – dieses im Ausland verbreitete „back to back“-Payment ist in Deutschland nicht rechtswirksam zu vereinbaren und ist im jedem Falle risikoreich. Leistung nach Vorkasse zu vereinbaren kann zwar Abhilfe schaffen, ist aber leider nicht immer durchsetzbar. Und ebenso unberechenbar bleiben im Ausland nach wie vor politische Effekte wie Währungsschwankungen oder Embargos – und dann wird der Stahl nicht geliefert.

Dr. Volker Pellet vertrat im Workshop die Position des Auswärtigen Amtes als Bauherr umfangreicher Maßnahmen bei Botschaften, Konsulaten, Deutschen Schulen und Goethe-Instituten weltweit. Auch wenn deutsches Vertrags- und Vergaberecht meist Grundlage dieser Baumaßnahmen ist, müssen auch für den Bund als Bauherr oft genug pragmatische und individuelle Lösung herangezogen werden. Das Finanzministerium verlangt bislang ausnahmslos von öffentlichen Auslobern, dass diese die VOB zur Leistungsbeschreibung heranziehen. Die VOB ist auf den deutschen Markt zugeschnitten, eine Anwendung im Ausland daher wirklichkeitsfern und für die reibungslose Realisierung von Bauprojekten hinderlich. Eine Ausnahmeregelung des Finanzministeriums ist dringend geboten.

Rechtsanwalt Dr. Harald Michaelis riet den Teilnehmern, trotz individuellen und kulturell beeinflussten Vertragsmodellen eindringlich Schiedsklauseln in den Vertrag aufzunehmen, auch weil diese für eine erfolgreiches Nachtragsmanagement unerläßlich sind. Internationale Schiedsgerichtsverfahren sind unberechenbaren ausländischen Gerichtsverfahren unbedingt vorzuziehen und ein neutraler Schiedsgerichtsort wie die Schweiz oder Singapur zu empfehlen. Ein in diesen Verfahren erreichter Titel ist rechtlich bindend und soll die Justiz entlasten. Das vor allem in England etablierte Modell der „baubegleitenden Streitbeilegung“ steht für sachliche ad-hoc Klärung von Problemen bereits während des Bauprozesses. Allerdings muss für diese kontinuierliche Rechtsbegleitung Budget eingeplant werden und oft rechnet sich diese Art des Konfliktmanagements nur bei großen Projekten.

Prof. Bert Bielefeld schlägt zur Verbesserung von Verhandlungsgrundlagen vor, Mustervertragsbedingungen aus deutscher Rechtsperspektive zu erarbeiten, die Architekten und Ingenieuren den Abschluss von Verträgen erleichtern. Dies im Sinne einer Alternative zu den Vertragsbedingungen, die sich beispielsweise in FIDIC-Verträgen finden und die ausschließlich durch ein angelsächsisches Rechts- und Planungsverständnis geprägt sind. Unerlässlich bleibt eine Anpassung von Standardverträgen auf die landes- und projektspezifischen Bedingungen.

Bloggen gegen „friß oder stirb!“

Das Bauen im Ausland bleibt also abenteuerlich – und wird dennoch einhellig von allen Beteiligten des Workshops als wirtschaftlich erfolgreich und persönlich bereichernd eingeschätzt. Damit dies so bleiben kann, wäre ein virtueller Ort in Form eines Blogs, z.B. über das Netzwerk Architekturexport NAX hilfreich, welcher einen schnellen Informationsaustausch ermöglicht und so die Nutzer mit konkreten Fakten und Erkenntnissen versorgt. Konkreter Anlass: Ein Planer soll ein als „friß-oder-stirb“-Vertrag bezeichnetes Abkommen unterzeichnen und könnte so nach Kollegen und deren Rat suchen, die in der Region oder Geschäftskultur ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Essenz des Workshops: Ein solides Netzwerk ist auch für die rechtliche Detailarbeit unverzichtbar. Intelligentes Netzwerken setzt voraus, dass man die jeweiligen Bedingungen versteht, unter denen geplant und gebaut wird, seine eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen richtig einschätzt, um sich dann gezielt Unterstützung zu suchen. Denn Risiken sollten immer auf mehrere Schultern verteilt werden und ein effizienter Wissenstransfer ist dabei durch nichts zu ersetzen. Konkurrenzdenken führt im Ausland in die Sackgasse – das Teilen von Informationen ist unschätzbar wertvoll. Auch dafür konnte der Außenwirtschaftstag bewährte Plattform sein.

Text: Cathrin Urbanek

Fotos: Till Budde, Berlin

»Außenwirtschaftstag 2015 Programm Vorträge und Workshops

Tragende Institutionen:
»Bundesarchitektenkammer / Netzwerk Architekturexport NAX
»Bund Deutscher Architekten BDA
»Bund Deutscher Innenarchitekten BDIA
»Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
»Verband Beratender Ingenieure VBI
»Vereinigung freischaffender Architekten Deutschlands VfA
»Zentralverband Deutsches Baugewerbe ZDB