“Aufträge der öffentlichen Hand – auch für Innenarchitekten” von Constantin von Mirbach, BDIA Bundesgeschäftsführer

Constantin von Mirbach, BDIA
Constantin von Mirbach, BDIA Bundesgeschäftsführer

Wettbewerbe und Vergabeverfahren, an denen Innenarchitektinnen und Innenarchitekten teilnehmen können, sind spärlich gesät. Auf den einschlägigen Plattformen lassen sich nahezu keine Auslobungen finden, die Innenarchitekten direkt einbeziehen. Den Eindruck bestätigt auch die aktuelle Umfrage der Architektenkammern,

die 2014 unter den freischaffenden Kammermitgliedern durchgeführt wurde. Der Anteil öffentlicher Aufträge in Innenarchitekturbüros liegt nur bei 8% liegt. Alle Fachrichtungen gemeinsam kommen dagegen auf 22%.

Öffentliche Auslober beziehen Innenarchitekten also viel zu selten ein. Dies ist vor allem dann schwer nachzuvollziehen, wenn „nur“ im Bestand geplant wird. Doch auch bei Bauaufgaben im Neubau, die einen starken Nutzerbezug haben, besteht kein stichhaltiger Grund, Innenarchitekturleistungen nicht konkret auszuschreiben. Innenarchitekten sind für den inneren, nutzerbezogenen Teil der Architektur Spezialisten und haben in der Regel mehr Erfahrung hinsichtlich Grundrissgestaltung und Funktionszusammenhänge, bei der Auswahl von Materialien und Möbeln, bei der Gestaltung mit Farbe und Licht und bei der Entwicklung barrierefreier Lösungen. Diese Spezialisierung stellt einen Mehrwert für die Nutzer und damit besonders für den öffentlichen Bauherren dar.

Diesen klaren Mehrwert müssen wir als Berufsverband immer wieder darstellen. Dazu gehört vor allem Aufklärungsarbeit bei den öffentlichen Auftraggebern über den Berufsstand und seine Kompetenzen, denn diese sind nicht ausreichend bekannt. Immer wieder ist zu vernehmen, dass die „Wettbewerbskultur“ in Innenarchitekturbüros im Vergleich zu den Hochbaukollegen nicht ausgeprägt wäre. Das kann aber keinesfalls als Begründung gelten, den Berufsstand auszuschliessen. Im Gegenteil: Es bedarf einer konkreten Chance, damit sich Wettbewerbskultur ausprägen kann.

Wenn Planungsleistungen aus den beiden Bereichen Architektur und Innenarchitektur ausgeschrieben werden, dann meist gemeinsam und damit nicht explizit erreichbar für Innenarchitekten. In ganz seltenen Fällen wird die Bildung einer Bietergemeinschaft zugelassen. In einer solchen Bietergemeinschaft muss denklogisch immer ein Architekt sein. Das führt automatisch dazu, das Innenarchitekten darauf angewiesen sind, dass Ihre Berufskollegen sie „mitnehmen“.

Thomas Maibaum, renommierter Vergaberechtler und langjähriger Justiziar der Bundesarchitektenkammer, hat in einem für den BDIA erstellten Gutachten nachgewiesen, dass die Nichtberücksichtigung von Innenarchitekten auch vergaberechtlich angreifbar ist. Im Vergaberecht gilt der Grundsatz der so genannten Losvergabe. Öffentliche Aufträge sollen in Lose aufgeteilt werden, damit nicht nur große Auftragnehmer für die Vergabe einer Leistung in Betracht kommen. Dadurch soll ganz klar der Mittelstand gefördert werden. Dieser Grundsatz ist auch auf die Innenarchitekturleistungen anwendbar, die laut Gutachten in einem Los zu vergeben sind. Das Gutachten steht unter » www.bdia.de als Download zur Verfügung.

Neben diesen Aspekten, die vorrangig für Innenarchitekten eine Herausforderung darstellen, gibt es weiteren Grund zur Kritik am deutschen Vergabe- und Wettbewerbswesen. Die Berliner Wettbewerbsinitiative fordert beispielsweise weitgehend offene Verfahren. Wenn ein Büro für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren für ein Krankenhaus bereits mehrere Krankenhäuser geplant haben muss, dann sind letztendlich immer nur die gleichen Büros erfolgreich. Die Chancen, sich als kleines oder junges Büro durch einen öffentlichen Auftrag zu profilieren, sind deshalb in den letzten Jahren für alle Fachrichtungen nicht besser geworden.

Text: Constantin von Mirbach, BDIA Bundesgeschäftsführer
Erschienen in der AIT 6/2015