bdia anerkannt! Master für Anna Witte: “Erlebnisgastronomie Hochgenuss“

Masterarbeit WS 2017/18 an der PBSA Düsseldorf
Betreuer: Prof. Reitz / Prof. Robert Niess

Masterarbeit WS 2017/18 an der PBSA Düsseldorf

Erlebnisgastronomie „Hochgenuss“

Bei dem Wasserturm an der Freckenhorster Straße in Warendorf handelt es sich um einen in großen, stereometrischen Formen emporwachsenden, konstruktivistischen Zweckbau aus schalungsrauem Sichtbeton, der 1934 errichtet worden ist.
Das neue, zeitgemäße Konzept des Restaurants „Hochgenuss“ stellt in Form einer Erlebnisgastronomie eine Umnutzung dar, die dem massiven Gebäude neues Leben einhaucht und dennoch die Hülle mit seiner eigenen architektonischen Sprache respektierend erhält und achtsam mit der Bedeutung als technisches Baudenkmal und dem architekturgeschichtlichen Hintergrund des Bestandes umgeht.
Zu jeder Zeit war die Wasserversorgung Grundlage aller zivilisatorischen und kulturellen Entwicklungen: Wasser als Voraussetzung für das Leben und elementares Grundbedürfnis des Menschen.
Genau hier setzt das Konzept an.
Es entsteht ein Ort der Besinnung auf die körperlichen Grundbedürfnisse – Trinken und Essen in Form von gesunder Ernährung. In der heutigen schnelllebigen und reizüberfluteten Zeit ist ein Gegentrend gesunder und nachhaltiger Lebensweise verstärkt erkennbar. In der Masse der Produkte wird Qualität statt Quantität geschätzt und gefordert. Selberkochen wird vielfach zum Luxus, da oft die Zeit fehlt.
Das Prinzip der Wasserversorgungstechnik – der Transport sauberen Trinkwassers vom Wasserturm zu den einzelnen Haushalten – bleibt für die meisten Nutzer weitgehend unsichtbar. Die Frischwasserversorgung wird in der Gesellschaft als selbstverständlich angesehen. Ebenso verhält es sich in einem klassischen Restaurantbetrieb: Dem Gast wird eine fertig angerichtete Speise serviert ohne genauere Kenntnisse über die Zubereitung, die Zusammensetzung oder die Herkunft der einzelnen Zutaten zu haben.
„Hochgenuss“ spielt mit dessen Umkehrung und setzt auf Nachvollziehbarkeit und Verständnis in der Herstellung der Speisen und Getränke.
Durch ein luftiges, weites, innenarchitektonisches Raumkonzept wird die Nahrungskette für den Kunden transparent und die Trennung von Zubereitung und Verzehr, sowie von Koch und Gast, ansatzweise aufgehoben. Die flexible Nutzbarkeit für kulinarische Veranstaltungen aller Art lassen den Wasserturm zu einem Ausflugsziel für Gruppenaktivitäten und Feierlichkeiten werden, sowie Anlaufstelle für qualitätsbewusste Konsumenten, die eine handwerkliche Herstellung wertschätzen.
Die konsequente Konstruktion und Formgebung, sowie die Beschränkung auf das absolut notwendige Maß und die klare Linienführung sind prägend für die Architektur des Wasserturms. Der neue Entwurf setzt darauf an im Innenraum einen Kontrast zu schaffen und sich mit einer kantenlosen Formsprache und zirkularen Raumelementen von der Orthogonalität des Bestandes abzusetzen.
Um eine wirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen werden die alten Wasserbauleitungen im Treppenhaus demontiert, sodass ein Aufzug eingebaut werden kann. Der einnehmende Wasserbehälter wird partiell erhalten und sein Volumen geschnitten, sodass die ursprüngliche Funktion als Wasserturm erkennbar bleibt, aber dennoch unerwartete, neue Räumlichkeiten entstehen.
Die massiven Betonwände und der Boden des Wasserbehälters, die durch den Querschnitt deutlich sichtbar werden, lassen nachempfinden welches Gewicht, Volumen und welche Kraft das hier in der Vergangenheit gespeicherte Wasser aufbrachte.
Im Herzstück des Turmes, dem Wasserbehälter befindet sich nun die Showküche, die rundum Einblicke zulässt und von jedem Besucher passiert wird. Durch den horizontalen Schnitt des Tanks ergibt sich eine Tribünenatmosphäre, die dem Kochen seine Bedeutung zuspricht.
Die darüberliegenden, runden Ebenen und Treppenläufe sind so konzipiert, dass sie die äußere, imaginäre Kontur des alten Wasserbehälters nie überschreiten und so seine Ausmaße ablesbar bleiben. Die versetzten Geschosse und eine einseitig laufende Brüstung lassen im Turmkopf eine fließende, weiche Raumskulptur entstehen, die sich deutlich vom Bestand absetzt und sich dennoch durch ihren Bezug auf den alten Wasserbehälter harmonisch in die Architektur einfügt.
Hat man die 17 Höhenmeter und 84 Treppenstufen im engen Schaft hinter sich gebracht, verspürt man durch die Offenheit des Innenraumkonzepts eine unerwartet Weite. Folgt man der Bewegung erlebt man spannende Blickbeziehungen und gelangt auf die Getränkeebene mit einer Bar im Mittelpunkt.
Die Speiseebene, letztes und höchstes Geschoss, profitiert von dem Ausblick und lädt den Besucher ein in gemütlichen Sitznischen in Ruhe Kulinarik mit allen Sinnen zu genießen.
Vollstahlrohre, mit gebürsteten Messing ummantelt, betonen die vertikale Ausrichtung im Raum und stehen in Analogie zu Wasserleitungen als Sinnbild der Wasserversorgungstechnik. Abgehängt von einem Stahlring, der im Dachbereich an den vier vertikal verlaufenden tragenden Betonscheiben befestigt ist, bilden sie nicht nur die Konstruktion, sondern fungieren zugleich als innenliegende Brüstung und dienen durch ergänzende Fachböden bspw. der Präsentation von Manufakturwaren. Im Dachbereich des Turmkopfes unterstreicht eine Gitterkonstruktion die diagonale Ausrichtung der Betonscheiben und spiegelt die Kontur des alten Wasserbehälters. Von hier sind die Pendelleuchte „Wireflow“ von vibia in unterschiedlichen Höhen abgehangen und lassen den dunklen Turmkopf in einem Lichtermeer erstrahlen.

Das Hauptaugenmerk bei dieser Arbeit lag darauf durch eine innenarchitektonische Lösung im Turmkopf aus Altem und Neuem ein gemeinsames ganzes zu bilden und durch eine bewusste Steuerung der Wahrnehmung des Vorhandenen, ein in machen Augen, als Abrissobjekt bezeichneten Zweckbau neu erfahrbar zu machen. Um den Entwurf ganzheitlich abzuschließen wurde jedoch auch die umliegende, zur Verfügung stehende Grundstücksfläche mit einbezogen.
Die Formsprache des neuen Innenraumkonzeptes weitet sich auch auf die Gestaltung der Außengastronomie und der umgebenden Grundstücksfläche vor dem Turm aus.
Zutaten wie Gemüse und Kräuter werden hier in Metall Cubes angepflanzt und direkt aus dem eigenen Garten in der Küche verwendet. Drei reduzierte Neubauten mit unterschiedlichen Fassadengestaltungen, die sich bewusst dem Turm unterordnen, bieten Platz für direkte Warenanlieferung und zusätzlichen Lagerraum, sowie einen Getränke- und Speiseausschank und Toilettenanlagen. Durch die Gestaltung des Außenraumes entsteht ein Innenhofcharakter vor dem Wasserturm, der durch eine flexible Bestuhlung saisonal unterschiedlichste Veranstaltungsangebote zulässt.  Anna Witte


Die Bewertung der Abschlussarbeiten erfolgte am 13.02.2018  Jury: Jutta Hillen, Birte Riepenhausen, Barbara Eitner und die Ausgezeichneten aus dem letzten Semester, Lisa Kentner und Katharina Witez

Jurybegründung: Der Entwurf mit dem Thema „Erlebnisgastronomie“ in einem ehemaligen Wasserturm von 1934 besticht durch seine konzeptstarke skulpturale Anmutung zum Leitmotiv „Wasser“ und die sinnlich stimmige Materialwahl. Formen und Materialien stellen gekonnt den historischen Bezug zu den 30er Jahren her und passen dennoch exakt in die Gegenwart.