bdia ausgezeichnet! Bachelor für Julia Seppä: „Dualismus“

Bachelorarbeit WS 22/23 an der Hochschule Mainz
Betreuung: Prof. in Antje Krauter, Prof. Gerhard Kalhöfer

Dualismus

In Deutschland gibt es Hunderte von Bunkern, die es in vielen Formen und Größen gibt. Ein Großteil dieser Bunker steht seit Jahrzehnten leer, ungenutzt und unbeachtet herum. Das Projekt konzentriert sich auf den Valentin-Bauer-Bunker, der sich in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums von Ludwigshafen befindet. Er konnte seinerzeit rund 140 Schutzsuchenden Platz bieten und jeder seiner 23 Aufenthaltsräume war mit sechs Betten ausgestattet. Die Besonderheit dieses Bunkers sind die Blendarkaden in der Fassade, die ursprünglich zu Tarnzwecken angebracht wurden.

Typischerweise haben Bunker eine spezifische Bautypologie, da sie sehr funktionsorientiert sind. Der Valentin-Bauer-Bunker ist keine Ausnahme, auch er hat dicke Betonwände und die Innenräume sind durch die Präsenz von Dunkelheit aufgrund der nicht vorhandenen Fenster definiert. Das Projekt konzentriert sich auf diese Aspekte und anstatt diese “Schwächen“ zu verstecken, unterstreicht es sie und nutzt sie aus. Solche Innenräume sind jedoch nicht für ein langfristiges Wohnen geeignet und deshalb war es entscheidend, über die vier Wände hinaus zu denken. Dies führte schließlich zur Kernidee des Projekts, nämlich dem großen Kontrast zwischen den Räumen innerhalb der Wände und denen außerhalb.

Die Innenwände des bestehenden Gebäudes wurden entfernt und fünf Module mit Flur und Bad in einem 45-Grad-Winkel errichtet. Die Erschließung zu den einzelnen Wohnungen und dem neu entstehenden überdachten Innenhof ist einfach und klar gestaltet, um die Aufmerksamkeit nicht von den geschossweisen wechselnden Formen abzulenken. Die Materialien spiegeln die schwere und dunkle Atmosphäre wider, ehren den Bestand und anstelle von natürlichem Licht werden transluzente Lichtobjekte in den Podesten, Treppen und der Decke platziert. Auf diese Weise wird auch dem Licht eine Masse verliehen. Das Modul selbst öffnet sich zu einem Flur, von dem aus dem Badezimmer mit einer muschelförmigen Duschecke erreicht werden kann. Der Flur öffnet sich auch zu einem Durchbruch durch die 1,1 Meter dicke Außenwand, wodurch eine starke visuelle Verbindung zwischen den dunklen und hellen Räumen entsteht.

Nach dem Durchschreiten des engen Durchbruchs gelangt man von den wuchtigen und dunklen Räumen in die lichtdurchfluteten Wohnbereiche, die das Gefühl von Leichtigkeit verkörpern. Im Vergleich zu den identischen Modulen im Inneren unterscheiden sich die Außenmodule alle voneinander und schaffen so einzigartige Raumsituationen. Das erste betretene Modul besteht typischerweise aus zwei miteinander verbundenen Wohn-, Ess- und Küchenbereichen in Form von rechteckigen Quadern. Von dort aus führen Wendetreppen zu einem zweiten (oder dritten) Modul, das hauptsächlich zum Schlafen dient. Die mehrgeschossigen und abgewinkelten Module schaffen gleichzeitig eine Möglichkeit für Dachgärten, die sich an jede der Wohnungen anschließen. Während die Räumlichkeiten im Innern des Bestandsgebäudes schwer waren, sind die Materialien und Objekte in den Außenmodulen weitgehend weiß, reflektierend und transparent.

Auch wenn die neuen Konstruktionen auf dem ersten Blick recht frei wirken, sind die Platzierungen durch die durchgehenden Achsen von innen nach außen in jedem der Geschosse vorgegeben. Die Module liegen auf Stahlträgern, die die Strecke zwischen den Innenmodulen und den ersten Außenmodulen überspannen. Die weitgehenden Auskragungen waren eine Idee, die aus der Besonderheit des Bestandsgebäudes wurzelt. Nämlich das enorme Gewicht und die Stabilität des Bunkers selbst, aufgrund der dicken Außenwände, die perfekt sind, um die Lasten aufzunehmen und den Kräften standzuhalten. Um die Auskragungen dennoch so leicht wie möglich zu halten, sind die Module mit Stahlleichtbauweise gefertigt. Julia Seppä


Jury: Daniela Sachs Rollmann | Innenarchitektin bdia, Vorsitzende bdia RP/S, Pierre Grün | Innenarchitekt bdia, Vorstandsmitglied bdia RP/S, Maike Schlick | kaddawittfeldarchitektur
Jurybegründung: Es gelingt der Verfasserin ein spannungsreiches Wechselspiel von abweisender, geschlossener Bunkerarchitektur zu lichtdurchfluteten der Umgebung zugewandten Wohnbereichen. Die gut gewählte Materialität schafft eine leichte und ausdrucksstarke Struktur, die sich neben der geschlossenen Betonarchitektur des Bunkers gut behauptet.