bdia ausgezeichnet! Bachelor für Rhea Adaimi: „The GLASS HOUSE“

Bachelorarbeit SS 2017 an der Hochschule Detmold
Betreuung: Prof. Carsten Wiewiorra, Dipl.-Ing. Christian Schulze

The GLASS HOUSE

Inspiration

Mit 14 Jahren habe ich mit meinen Eltern eine Glasbläserei besucht.
Es war in Saida, im Süd-Libanon, weit von Beirut entfernt. Hier waren wir in einem Gebiet des Libanons, das wir nicht so gut kannten und wir mussten mehrmals fragen, um das Glasatelier zu finden. Endlich kamen wir an und konnten das Atelier besuchen, um zu erfahren, wie die wunderschönen Gläser, Kannen und Schalen entstehen. Scheinbar mühelos blies der Bläser in sein Rohr und kreierte die wunderbarsten Gebilde.
Für die neuen Formen wurde altes Glass geschmolzen als Voraussetzung für eine neue Farbigkeit. Der Arbeitsraum war dunkel und die Wände schwarz verrußt. In der Mitte stand ein vier Meter langer Brennofen, an dem gearbeitet wurde. Wir konnten zusehen, wie aus einer glühend heißen Masse langsam schöne organische Formen entstanden. Die mundgeblasenen Elemente setzten durch ihre Schönheit und Transparenz einen großen Kontrast zu dem dunklen Raum.
Schon aus dem 13. Jahrhundert kennen wir Gläser, die im östlichen Mittelmeerraum entstanden. Dieses handwerkliche Wissen der Glasbläserei wurde über hunderte von Generationen weitergegeben. Leider hat die Glasblaserei im Vorderen Orient und im Libanon nicht mehr die Bedeutung, die sie einmal hatte. Durch die wiederholten Kriege mussten die Glasbläsereien schließen.
Da ich diese Tradition so faszinierend finde, wollte ich in meiner These einen Weg finden, dieses  Brauchtum wieder zum Leben zu erwecken, in dem ich das traditionelle mit dem Modernen verbinde. Mein Ziel war es ein raumliches Konzept zu entwickeln was  Menschen die Lust gibt diese Kunst entdecken zu wollen.

Konzept

Der erste Schritt bestand darin, das Atelier zugänglicher zu machen.
Deshalb habe ich nach einer neuen Lage gesucht, die noch im Umkreis der Hauptstadt liegt und sich zusätzlich in einem ruhigen Umfeld befindet.
Das neue Gebäude ist ein circa 100 Jahre alter Tierstall mit Kreuzgewölbe, an dem später ein moderneres Obergeschoss zugefügt wurde um als Wohnung zu dienen. Schon das Gebäude symbolisierte für mich das Wiederaufleben von etwas Altem.
Das Atelier soll für den Besucher ein Ort zum Entspannen sein, an dem man mit Familie und Freunde die alte Tradition wieder neu entdecken kann.
Für die Handwerker sollte das Atelier mit mehr Licht zum Arbeiten, mit mehr Platz und Freiraum zum bewegen und mehr Stauraum zum unterbringen von Werkzeugen, Materialien und weiteres ausgestattet sein.
Zusammengefasst sollte es ein Ort sein, wo Handwerker und Besucher aufeinander treffen und wo die Möglichkeit besteht, dass der Arbeiter über die Arbeitsweise Auskunft gibt. Aus dieser Überlegung heraus habe ich das Gebäude in drei Zonen eingeteilt: das Arbeiten, das Kaufen und das Ausruhen (Atelier, Shop, Cafe). Diese drei Zonen soll der Besucher nacheinander durchlaufen.
Als Erstes durch das Atelier im Obergeschoss. Hier tritt er direkt mit der Glasbläserei in Kontakt, wo er den Handwerkern bei ihrer Arbeit zusehen und mit ihnen sprechen kann. Durch eine Stufe sind Besucher und Arbeiter voneinander getrennt, können jedoch zusehen
Danach geht der Besucher die Treppen hinunter durch den Shop, wo er die Glaselemente, die er zuvor noch im Atelier gesehen hatte, wiederfinden und kaufen kann.
Zuletzt geht er durch den gewölbten Teil des Gebäudes, wo er sich im kühlen Raum auf den verschiedenen Sitzelementen ausruhen, Kaffee von der Theke holen oder einfach die sonnige Terrasse genießen kann.
Im Außenbereich befinden sichTreppen und eine lange Rampe, die den Besucher wieder zum  Ausganspunkt zurück bringen. Der Besucher ist somit einen Rundgang durchgelaufen.

Materialen

Als Materialien habe ich helle Farben gewählt, die die Transparenz der Glaselemente hervorheben. Da Glas ein Rohmaterial ist, habe ich mich für hellen Estrich und hellen Beton entschieden, da diese ebenso rohe Materialien sind.
Glas wird schon seit hunderten von Jahren verwendet, ebenso wie Terrazzo-Böden, die es schon seit der römischen und griechischen Antike gibt. Daher habe ich im Untergeschoss einen hellen Terrazzo-Boden und einen etwas dunkleren Terrazzo für einige Sitzelementen verlegt. Die zufällige Verteilung der Terrazzosteinchen ist genauso einzigartig wie die mundgeblasenen Glaselemente. Diese Böden fallen nie gleich aus und sind immer individuell verschieden, genauso wie die Glaselemente.
Da Beton und Terrazzo kalte Materialien sind, habe ich zusätzlich Sitzelemente aus Holz entworfen, die die Atmosphäre gemütlicher machen.

Formen

Geblasenes Glas hat eine sehr organische Form mit vielen Rundungen. Im Atelier habe ich diese Form aufgenommen, indem der Boden genauso wie das Glas „aufgeblasen“ ist. Die unterschiedlichen Bodenhöhen wechseln in weichen Wellen und erschaffen eine Trennung zwischen Besucher und Handweker.
Halbkreise, die an hochgestellte Bögen erinnern, geben den Arbeitsbereichen eine gewisse Räumlichkeit. Diese hochgekippten Bögen kann man im Erdgeschoss nochmal wiederfinden, nämlich da, wo sie eine der zwei Sitzbänke und die Fensterfassade umgibt, sowie in der gewölbten Mauerdecke.
Um diesen Rundungen einen Konstrast zu geben, gibt es ein paar gerade Elemente, wie beispielsweise die Theke, die den ganzen Raum durchschneidet.
Die Sitzelemente sind tief und breit, fast auf Bodenhöhe mit Kissen, welche an die orientalische Art zu sitzen erinnern.

Zusammenfassung

In meinem Projekt habe ich versucht, die Tradition mit der Moderne zu kombinieren: das Arbeiten mit dem Entspannen, das Orientalische mit dem Europäischen. Durch Materialien und Formen wollte ich eine ruhige Atmosphäre erzeugen, die die Schönheit des Glases zur Wirkung   bringt. Für mich war es wichtig einen Weg zu finden, die Neugierde der neuen Generationen für das traditionelle Glasblasen zu erwecken, indem ich es in einen moderneren Kontext gesetzt habe.
Ich würde mich freuen, wenn diese Tradition in den orientalischen Ländern wieder ins Leben gerufen würde und habe in meiner These versucht zu zeigen wie man durch Innenarchitektur dieses Ziel erreichen könnte. Rhea Adaimi


Die Bewertung  der Abschlussarbeiten erfolgte am 21. Juli 2017. Jury: Jutta Hillen |Innenarchitektin bdia, Vorstandsmitglied NRW, Karin Friedrich-Wellmann | Innenarchitektin bdia, Lina Kufahl | Ausgezeichnete Wintersemester 2016/17

Jurybegründung: Rhea Adaimi schafft in ihrer Arbeit einen Ort, der eine beeindruckende Kombination aus traditioneller orientalischer und moderner westlicher Architektur bietet. Während Gäste Einblicke in die geschichtsträchtige Technik des Glasblasens erhalten, laden Café und Shop zu Entspannung und Erwerb ein. Die Arbeit überzeugt durch ihre konzeptionelle Tiefe, die ästhetische Darstellung, die klare Formsprache und nicht zuletzt durch die besondere Eigenständigkeit der Entwurfsidee.