bdia ausgezeichnet! Master für Birte Mahnken “Schöpfwerk Höftdeich”

Mastearrbeit WS 18/19 an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold
Betreuung: Prof‘ in. Ulrike Kerber, Prof. ‘in Stephanie Stratmann

EINLEITUNG
Grundlage der Idee ist, das bestehende Denkmal Geschütze Schöpfwerk Höftdeich. Ein Kraftwerk, indem Wassermassen – von starken Niederschlägen – in die Wümme (Fluss) gepumpt werden, um die Ernte der Bauern vor Überflutungen und Ernteausfällen zu schützen. Dadurch dass das Land in dieser Gegend besonders Flach ist, fließt das Wasser zu langsam ab und es kommt zu den genannten Problemen. Deshalb wurde 1884 das Schöpfwerk erbaut. Das Besondere ist, dass das Denkmal stark, groß und Potenzial für mehr schöpferisches hat!
Der hohe Luftraum über den Pumpen bietet die Möglichkeit, eine weitere Ebene einzubauen, auf der eine zusätzliche Nutzung im Schöpfwerk entstehen kann. Durchschnittlich einmal in der Woche, werden die drei Pumpen für ca. 3-5 Stunden in Betrieb genommen. Die Lautstärke der Pumpen lässt in dieser Zeit, keine konzentrierte Tätigkeit im Gebäude zu. Aber genau in diesen Stunden, wenn die Wassermassen als „Fluss des Lebens“ durch die Pumpen und das Gebäude fließen, ist spätestens der Moment da, indem die Bewohner über ihren eigenen Fluss des Lebens bewusst nachdenken. Außerhalb des Gebäudes, kann man zu dieser Zeit beobachten, wie sich der Pegelstand der Wümme verändert. Dieser Moment steht für das Schöpfwerk und seine neue zusätzliche Nutzung.

GEBÄUDE & LAGE
Ein Schöpfwerk ist eine Hebevorrichtung für Wasser, ähnlich vorzustellen, wie ein Fahrstuhl. Dieses Bauwerk gewährleistet den Hochwasserschutz und zählt mit zu den ältesten vom Menschen geschaffenen Anlagen. Im Schöpfwerk befindet sich eine Pumpenanlage zur Entwässerung von Niederungen (tief liegendes Land) zum Beispiel unter NN liegende Marschgebiete am Unterlauf eingedeichter Ströme.
Das Schöpfwerk Höftdeich wurde 1884 erbaut und steht unter Denkmalschutz. Zuerst wurde es mit Kohle als Dampfschöpfwerk betrieben, bis es 1950 auf Elektromotoren umgebaut wurde. Die Leistungen der drei großen Pumpen sind 4,2 m³ / Sek. pro Pumpe. Eine Förderhöhe von 2,20 m haben diese dabei zu bewältigen. Die Drehzahl pro Turbine ist 120 Umdrehungen/Minute bei 205 KW Motorleistung.
Die Motorleistung von 205 KW, bedeutet ungefähr so viel wie 12.000 Liter oder 85 volle Badewannen die pro Sekunde von diesen 3 Pumpen befördert werden.

Dieses Industriedenkmal steht in der Nähe von Bremen in dem St. Jürgensland (Höftdeich) und funktioniert noch immer ohne Probleme. Genau zwischen Ritterhude und Lilienthal liegt das 500 Hektar große St. Jürgensland. Die überwiegende Bodenart ist das Niederungsmoor, welches zur Wümme hin teilweise mit Schlick überzogen ist. Gerade mal eine Höhendifferenz von 0,40 m – 5,70 m über NN wurde 1764 festgestellt.
Das Land ist besonders Flach, daher stehen die Häuser der 21 Einwohner auf Wurten, um sich vor Hochwasser zu schützen. Wurten sind künstliche Sandaufschüttungen. Landwirtschaft, Gräser, Wasser und Vögel sieht man in dieser Umgebung zu Genüge. Die 21 Einwohner von Höftdeich verteilen sich auf 7 Häuser und die beiden am weitesten entfernten Häuser liegen 4 km auseinander.

KONZEPT
Ein temporäres Zuhause, indem Selfness und Digital Detox als Methode für ein neues Lebenskonzept praktiziert wird. Die Bewohner definieren individuell, während ihres Aufenthaltes, ihr zukünftiges Lebenskonzept und ihre Lebensziele. Durch die tägliche Reflektion über ein Tagebuch und die Erlebnisse die man im Schöpfwerk sammelt, beginnt die Selbstfindung von alleine. Aktivitäten, Gespräche, die Natur, die Stille sowie Schweigemomente unterstützen den Weg zur Entschleunigung. Verschiedenste Menschen, die aus der reizüberfluteten Stadt kommen und unglücklich mit ihrem derzeitigen Leben sind, treffen hier auf Gleichgesinnte. Einfach raus und neu anfangen, weil man seine Ziele im Leben aus den Augen verloren hat und total erschöpft ist. Eine Gemeinschaft von ca. sechs Personen entsteht, die alle dasselbe Ziel verfolgen. Ein individuelles Lebenskonzept zu schöpfen, womit sie sich in ihrer perfekten Work-Life-Balance befinden. Die gesetzten Ziele werden definiert und greifbarer gemacht. Dafür erstellen sich die Bewohner in ihrem Tagebuch einen Plan, wie sie ihre Lebensziele erreichen möchten und sich stets im eigenen Leben wohlfühlen und mit sich und dem Leben glücklich bleiben.

Smartphones, Laptops oder Tablets sind während des Aufenthaltes im Schöpfwerk und während dieser Expedition nicht erlaubt. Es ist Teil der Erfahrung, ohne die ständige Ablenkung der Digitalen Medien, sich nur mit sich selbst auseinander zu setzten. Im Eingangsbereich gibt es für jedes Zimmer ein Schließfach, indem das Smartphone während des Aufenthaltes eingeschlossen wird. Der Schließmechanismus funktioniert so, dass man im Gegenzug des Verschließens den Zimmerschlüssen bekommt. Sobald man wieder abreisen möchte und den Zimmerschlüssel zurück über einen Schlitz in das Schließfach wirft, öffnet es sich und der Zugang zum Smartphone ist wieder möglich. Lediglich ein Haustelefon, für ein ganz bewusstes Austauschen mit vertrauten Personen, haben die Bewohner zur Verfügung.

Diese Gemeinschaft, lebt für einen Zeitraum von ca. zwei Wochen oder länger und je nach Bedarf im Schöpfwerk. An diesem Ort befinden sich klösterliche Schlafzimmer mit Bad, eine Gemeinschaftsküche mit Wohnraum und wohliger Kaminwärme, sowie ein Aktivitätsraum für Meditation/Yoga und weitere Selfness Aktivitäten. Eine Kombination aus körperlichen Aktivitäten in der Natur (Wandern, Paddeln, Fahrrad fahren, …) und Aktivitäten, die die Seele und den Geist ansprechen (Meditation, Yoga, Hypnose, Autogenes Training, …) finden in einem abwechselnden Rhythmus statt. Im Garten des Schöpfwerks gibt es ebenfalls Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Blumen können gepflanzt werden oder man genießt einen Abend am Lagerfeuer mit dem Blick auf die Wümme. Die tägliche Reflektion nach den Aktivitäten geschieht meist von selbst. Dennoch soll über ein Tagebuch festgehalten werden, worüber man sich während dieser verschiedenen Aktivitäten Gedanken gemacht hat, was einem bewusst wird und wie man in Zukunft anders damit umgehen möchte. Die Lebensweisheiten die während dieser Erfahrungen gesammelt werden, sind die Wegweiser, die einem in der Zukunft helfen sollen, aus erschöpften Lebensphasen selbst heraus zu kommen.
Birte Mahnken


Jury: Karin Friedrich-Wellmann | Innenarchitektin bdia, Marcus Henn | Innenarchitekt bdia, Karina Müller, Maria Gerbaulet, Julia Wall, Karin Michels
Jurybegründung: Das Bedürfnis nach einem Rückzugsort für Besinnung und Selbstfindung als ‚Schöpfwerk’ für Menschen wird erkannt und analysiert. In der Arbeit wird hierfür ein Nutzungskonzept entwickelt, das sensibel, funktionell ausgereift und sehr gut strukturiert in ein Industriedenkmal integriert wird. Sehr überzeugend ist das natürliche Farb- und Material-konzept. Ruhe und Geborgenheit ausstrahlend verbindet es sich harmonisch mit der Umgebung. Ein ausgezeichnet überzeugendes Schöpfwerk – für den Menschen und den ‚Fluss des Lebens’.