Call for Abstracts: Nachhaltige Innenarchitektur

Inhalt

Innenarchitekturschaffende stehen heute vor drängenden Fragen, die weit über ästhetische und funktionale Aspekte hinausgehen. Die Bau- und Einrichtungsbranche gehört zu den größten Verursachern von Abfall, CO2-Emissionen und endlichem Ressourcenverbrauch. In der Innenarchitektur ist Massenware allgegenwärtig. „Fast Furniture“ bei der Wohnraum- und Objektausstattung, aber auch Einbauten im Retail-, Ausstellungs- und Messebau sind durch kurze Nutzungsphasen gekennzeichnet und verfügen selten über skalierbare Wiederverwertungskonzepte. Dies führt zu einer enormen Verschwendung.

In Architektur und Hochbau bestimmen kreislaufgerechte Themen schon seit einigen Jahrzehnten den Diskurs. Auch im innenarchitektonischen Kontext werden an Hochschulen, in der Industrie und in der Praxis Lösungen besprochen, entwickelt und angewendet, um den hohen Anforderungen an Umweltverträglichkeit und Ressourcenschonung gerecht zu werden. Dabei müssen sowohl ökologische und technische Standards gesetzt als auch Schutzziele des sozialen und gesunden Bauens beachtet werden. Denn Innenarchitektur beeinflusst direkt das Wohlbefinden und die Gesundheit, verbringen wir in unseren Breitengraden doch etwa 90 % unserer Zeit in Innenräumen. Im Sinne einer zirkulären und gesellschaftlich verträglichen Gestaltung der gebauten Umwelt sind viele gegenwärtige Praktiken jedoch noch nicht vollständig entwickelt und in der Praxis zu wenig verbreitet, um den dringend notwendigen Transformationsprozess in Gang zu setzen. Die systematische Erhebung und Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Planungsprozess ist bislang kein Standard. Ein Großteil innenarchitektonischer Bauprojekte fokussiert auf die Erstnutzung, Nachnutzungsphasen werden selten berücksichtigt. Dabei sind nachhaltige Methoden und Prozesse auch ohne eine Erhöhung der Kosten für Bau und Instandhaltung möglich.

Sozial-ökologisch wirksames Planen und Bauen erfordert nicht allein bautechnologische Neuerungen. Oft sind es schon frühzeitige Entscheidungen bei Grundrissentwicklung und Raumnutzung, die langfristige Auswirkungen zur Folge haben. Jede Phase des Planungsprozesses bietet Möglichkeiten, Prinzipien zu verankern, die einen positiven Einfluss auf Umwelt und Wohlbefinden bewirken – von der Konzeptentwicklung bis hin zur Umsetzung und während der späteren Nutzung. Doch welche Maßnahmen und Grundsätze müssen konkret angewendet werden und welche langfristigen Auswirkungen ergeben sich daraus? Wie kann Innenarchitektur nachhaltiger werden? Sowohl Planende, Produzierende und Auftraggebende, als auch Forschende und Lehrende tragen die gemeinsame Verantwortung, nachhaltige Prozesse voranzutreiben, um deren positive Wirkung in die Gesellschaft hineinzutragen. Es ist deswegen an der Zeit, über unsere Entwürfe, die eingesetzten Materialien, Arten des Aus- und Umbauens sowie über Möblierung und Ausstattung neu nachzudenken. Nur wenn alle Akteure auf ihren verschiedenen Ebenen verantwortungsvoll agieren, können die umfänglichen Herausforderungen von den zukünftigen Generationen bewältigt werden. Der Sammelband „nachhaltige Innenarchitektur“ soll einen Beitrag zur fachlichen Diskussion leisten und zugleich wertvolle Impulse für die praktische Umsetzung ökologischer und integrativer Prinzipien im Innenausbau und im Umbau bieten. Er richtet sich sowohl an Fachleute aus Innenarchitektur, Architektur und Design als auch an all jene, die sich für ökologisches und sozialverträgliches Bauen und Gestalten interessieren.

Für die Veröffentlichung des Sammelbandes suchen wir nach Artikeln über nachhaltiges Planen und Bauen in der Innenarchitektur. Es können sowohl Anwendungsbeispiele als auch Methoden aus Lehre, Praxis oder Forschung thematisiert werden. Jeder Beitrag sollte einen Schwerpunkt zu einem der im Folgenden beschriebenen drei Themencluster Raum, Bauen oder Material aufweisen und sich mit den darin formulierten oder angrenzenden Fragestellungen befassen. Die Beiträge können sowohl zu realisierten Projekten als auch zu Modellprojekten, Lehrveranstaltungen und Fallstudien oder als Kommentare eingereicht werden.

 

  1. Raum

Beim innenarchitektonischen Gestalten muss die Frage nach der Notwendigkeit bestimmter räumlicher Ansprüche grundsätzlich zum Standard werden. Bereits die Entwurfsphase kann so zur nachhaltigen Konzeption genutzt werden. In diesem Rahmen ist es entscheidend, eine suffiziente und flexible Raumplanung zu entwickeln, die durch Anordnung, Größe, Organisation und Ausstattungsangebot eine positive Auswirkung auf den Platzbedarf und die Tätigkeiten der Nutzenden hat. Räumlich nachhaltige Innenraumentwürfe wirken sich somit quantitativ auf den Einsatz von Ressourcen, den Energieverbrauch sowie auf das Wohlbefinden der Menschen aus.

Wie können Innenräume und Einrichtungen optimiert werden, ohne dabei deren Qualität oder Komfort zu beeinträchtigen? Ist es sinnvoll, persönliche Raumbedürfnisse zu minimieren, wenn diese durch qualitativ hochwertige Gemeinschaftsflächen ausgeglichen werden können? Welche grundrissspezifischen Maßnahmen können angewendet werden, um Gebäude hinsichtlich Klima- und Lichtverhältnisse zu optimieren? Wie können Räume so gestaltet werden, dass sie sich zu unterschiedlichen Zeiten flexibel an die Bedürfnisse der Nutzenden anpassen lassen, um diese somit effizient zu nutzen? Wie können gemeinwohlökonomische Angebote und intergenerationale Lösungen in Innenarchitekturen integriert werden, um nachhaltige Lebensstile zu fördern?

 

  1. Bauen

Nachhaltiges Bauen im Bestand sowie ein qualitativer Umgang mit energetischer Sanierung muss auch in der Innenarchitektur an Relevanz gewinnen. In der Praxis ist dies jedoch noch immer eine Seltenheit. Auftraggebende und Planende starten Bauvorhaben häufig mit großen und durchaus ökologischen Zielen. Ausschreibungen mit Nachhaltigkeitsanforderungen werden veröffentlicht, doch sobald die Budgetplanung den Bauablauf bestimmt, werden Kompromisse gefunden und herkömmliche Lösungen halten Einzug. Wir fragen uns, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um den Transformationsprozess hin zu mehr nachhaltigem Planen und Bauen in der Innenarchitektur voranzutreiben. Wie können wir mehr reversible Bauweisen anstelle von Verbundkonstruktionen einsetzen? Wie kann technische Ausstattung auch bei hochwertigen Standards zu Gunsten von niederkomplexeren Lösungen reduziert werden? Welche neuen Entwicklungen gibt es im Bereich flexibel anpassbarer Einbauten, die den hohen Anforderungen an Schallschutz oder Beständigkeit genügen? Wie können Innenräume resilienter gegen Extremwetterlagen ausgebaut werden? Inwieweit kann digitale Technologie in Dimensionen der Innenarchitektur auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft unterstützen? Neben technischen Neuerungen existieren viele historische Beispiele, deren Betrachtung lohnenswert ist – in Bezug auf Langlebigkeit, Klimaschutz oder das Einbeziehen von Biodiversität.

 

  1. Material

Vor dem Hintergrund zunehmender Umweltbelastungen und der Notwendigkeit eines verantwortungsbewussten Umgangs mit natürlichen Ressourcen, gewinnt die bewusste und auf zirkulären Grundsätzen beruhende Auswahl von Materialien an zentraler Bedeutung. Wir möchten in diesem Sammelband auf die Suche nach ökologischen Alternativen zu handelsüblichen Produkten gehen, die dennoch massenkompatibel und preisgünstig sind. Durch welche Baustoffe können problematische Materialien, wie Span- oder Gipskartonplatten, Bauschaum, Acryl oder Mineralwolle ersetzt werden? Welche neuen, technologiebasierten Möglichkeiten bewähren sich in der Praxis? Welche historischen Materialien bergen Potenziale? Welche biologisch abbaubaren, nachwachsenden oder schadstofffreien Plattenwerkstoffe, Beschichtungen, Dichtstoffe, Akustikdämmungen oder Polsterstoffe werden schon jetzt erfolgreich eingesetzt – ohne Einbußen an Komfort und Gestaltung? Müssen wir uns gar an eine neue Materialästhetik mit farbarmen Oberflächen oder Patina gewöhnen? Dabei stellt sich die Frage, unter welchen Gesichtspunkten ein Material wirklich nachhaltig genannt werden kann? Sollte die Lebensdauer maßgeblich sein oder die lokale Herkunft, die Recyclingfähigkeit oder doch die nachwachsenden Rohstoffe, aus denen es gewonnen wurde? Wie kann bei all diesen Fragen Innenarchitekturschaffenden die Material-Auswahl erleichtert werden?


Einreichung

Die Einreichung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Beiträge aus der (Gestaltungs-)Praxis sowie aus Wissenschaft, Forschung und Lehre sind willkommen und sollten Methoden, konkrete Anwendungsbeispiele, Erfolgsfaktoren und Herausforderungen thematisieren. Der Abstract sollte über einen Umfang von maximal 1.500 Zeichen inklusive Leerzeichen verfügen.

Bei Bedarf können dem Text bis zu drei exemplarische Abbildungen beigefügt werden.

Der Abstract ist bis zum 30.11.2024 im Format PDF per Mail zu senden an: anna.tscherch@th-owl.de

Er sollte folgende Informationen enthalten:

  • Name, Vorname
  • Firma / Hochschule
  • E-Mail Adresse
  • Titel
  • 3 – 8 Keywords

Zusage

Über die Zusage, einen Beitrag für den Sammelband zu verfassen, werden wir Sie bis spätestens 07.01.2025 per Mail informieren. Danach können Beiträge in einer Länge von bis zu 10.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) mit passendem Bildmaterial eingereicht werden, die anschließend in einem Sammelband publiziert werden. Für die Beiträge wird eine Datei-Vorlage zur Verfügung gestellt. Wir freuen uns auf Ihre Einreichung!

Dipl.-Ing. Wibke Schaeffer

Prof. Dipl.-Ing. Anna Tscherch

Prof. Dipl.-Ing. Carsten Wiewiorra


Wibke Schaeffer ist Architektin, studierte Innenarchitektur und Architektur und ist mit ihrem Planungsbüro Studio W langjährige Expertin im Bereich nachhaltiges Bauen im Bestand. Sie war von 2022 bis 2024 Vertretungsprofessorin für Baukonstruktion und Baustoffe in der Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmolder Schule für Gestaltung.

Anna Tscherch ist Architektin und Professorin für Entwerfen und Ausbauplanung der Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmolder Schule für Gestaltung. Dort forscht und lehrt sie im Bereich zirkulärer Innenarchitektur und integrativer Entwurfsmethoden.

Carsten Wiewiorra ist Präsident des bdia. Er ist sowohl Innenarchitekt als auch Architekt, führt das Büro wwstudio und ist Professor für Ausbaukonstruktion und Werkstoffe an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmolder Schule für Gestaltung. Dort forscht und lehrt er zu Konstruktion und Material in der Innenarchitektur.


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