“Design Thinking in Zeiten der Digitalisierung” von Monika Lepel, Innenarchitektin bdia | Lepel & Lepel Köln

Die Digitalisierung hat längst einen Großteil unserer Lebensbereiche durchdrungen. „Gut so!“, sagen die einen, finden schnelle Problemlösungen und Anregungen in Foren und den sozialen Medien, buchen ihren Urlaub im Internet und halten mit Familie, Freunden, Kunden Kontakt auf der ganzen Welt. Andere dagegen hoffen, dass die Bank an der Ecke bleibt und sie bald den Ruhestand antreten können. Die digitale Transformation beschäftigt jeden von uns, auch die Unternehmen. Ihnen bietet die Digitalisierung neue Optimierungs- und Vermarktungsmöglichkeiten. Was bedeutet diese Entwicklung für uns Innenarchitektinnen und Innenarchitekten, die Arbeitswelten konzipieren und planen? Unseren Auftraggebern sage ich: „Wenn wir das Büro der Zukunft gestalten wollen, müssen wir uns der Rituale annehmen.“


Denken wie ein Nutzer

Arbeitsprozesse, egal welcher Art, sind geprägt von wiederkehrenden Handlungen, Ereignissen, Kontakten und Orten. Als Innenarchitektin erkenne ich in ihnen auch Rituale, die in unseren Entwürfen den alles bestimmenden Ausgangspunkt der Raumplanung darstellen. Rituale stellen eine entscheidende Verbindung zwischen den beiden Polen der Sesshaftigkeit und des neu gelebten Nomadentums im Büro dar. Je komplexer die Prozesse, desto größer ist die Bedeutung, die alltäglichen Rituale zu erhalten und neu zu etablieren. Wie können Themen wie Ressourcenmanagement, Diversität, Change-Prozesse und konzentrierte Arbeitsbedingungen für Menschen, die agil, transparent, in virtuellen Teams dauerhaft konzentrierte Arbeit leisten sollen, planerisch gelöst werden? Diesen Fragen stellen wir uns bei jedem individuellen Auftrag neu und strukturieren offene Grundrisse in Zonen für unterschiedliche Arbeitsrituale, denken statt in Mauern in flexiblen Boxen und Wandsystemen, schaffen mit Farben und Mustern identitätsstiftende Orte.

Da der ritualisierte Bürotag lange, bevor man sich vor den Computer setzt, beginnt, sind Signale, die den Mitarbeiter willkommen heißen und ihm Orientierung geben, schon beim Ankommen wichtig: im Gebäude, auf seiner Etage oder in seinem Bereich. Orientierungszonen dienen hier als Filter zwischen Ankommen und spezifischer Tätigkeit alleine oder im Team. Analoge Flächen wie magnetische Wände und pinnbare Akustikflächen sind großartige Möglichkeiten, bei digitalen Prozessen ohne viel Aufwand und für alle sichtbar, Pläne festzuhalten, Prozesse zu visualisieren und Aufgaben, aber auch Fortschritte zu verdeutlichen.

Grundsätzlich sehe ich heutige Arbeitsplätze als Werkstätten an: Handwerker haben vor Ort beim Kunden die Werkzeugtasche dabei. In der Werkstatt gibt es die Werkbank. Als Innenarchitektin nehme ich die Herausforderung an, klare und selbsterklärende Werkstattkonzepte zu entwerfen und Mitarbeitern in einem nomadischen Umfeld das Gefühl von Heimat, Verlässlichkeit und Identität zu vermitteln.

Mutig bleiben

Eines der stärksten und bewusstesten Rituale ist wohl der Gang in die Mittagspause. Das gemeinsame Essen und vielleicht sogar Kochen wird als teambildendes Element immer wichtiger. Küchen und Bistros sind Orte, an denen man gestalterisch in die Vollen gehen und Identität abbilden kann. Über Kaffee- und Mittagspausen hinaus können Orte, an denen mittags gegessen wird, abends als Veranstaltungsorte genutzt werden. Oft werden diese positiv besetzten Orte dann auch gerne spontan als flexible Arbeitsplätze genutzt.

Single Box und Conference World: Um absolut fokussiert arbeiten zu können, ist der Rückzug an einen ganz eigenen Ort ein wichtiges Ritual, das nicht einfach so passiert. Wer sich aus dem Arbeitsgeschehen in der Gruppe zurückzieht, wendet dafür viel Energie auf und verdient einen Raum der absoluten Konzentration.

Formelle Besprechungsräume haben über Unternehmen hinweg ihre eigenen festen, repräsentativen Rituale. Man tritt ein, die Tür wird bedeutungsschwer geschlossen. Der Tisch steht als Zeichen, dass hier Wichtiges verhandelt wird. Dezentrale Teams erfordern virtuelle Besprechungsräume, die Videocall und Chats bündeln. Wir lassen auch hier Kreativität einkehren mit beschreibbaren Wänden, die virtuelle Prozesse und Entscheidungsfindung unterstützen. Für die Freiflächen bleibt genug Wand für Konzepte, die Belebung und Identität transportieren.

Wie ein Innenarchitekt zu denken, ermöglicht es, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, wenn es um neue Lösungen für die Zukunft geht. Das Büro 4.0 ist der Weg im Unternehmen, die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung durchgängig und nachhaltig zur Steigerung der Unternehmensleistung zu nutzen. Das Faszinierende an der Digitalisierung ist, dass es trotz und wegen der komplexen Technologien möglich ist, über Rituale als Gestaltungsprinzipien eine nachweisbar erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung zu erreichen. In diesem Sinne wünsche ich: Frohes Schaffen!

Monika Lepel, Innenarchitektin bdia, Lepel & Lepel Köln
Der Artikel erschien ungekürzt im bdia Handbuch Innenarchitektur 2018/19.