“Digitalisierung” von Larissa Kadner, Innenarchitektin bdia, LAKA LAB, München
Eine Bestandsaufnahme mit Blick in die Zukunft: seit Jahren arbeiten wir digital, das Planen am Computer und das Kommunizieren durch digitale Medien ist längst Alltag. In der Innenarchitektur findet die Digitalisierung auf zwei unterschiedlichen Ebenen statt: Einerseits ist es die Digitalisierung der planerischen Prozesse, wie wir ein Projekt konzipieren, entwickeln, präsentieren und uns dabei zunehmend digitaler Medien bedienen. Andererseits ist es die Digitalisierung der Umgebung, die wir entwerfen, die fortschreitende Einbindung von Technik zur Gestaltung und Steuerung eines „smarten“ Gebäudeinneren. Beide Entwicklungen verändern unseren Berufsalltag!
Häufig wird mir die Frage gestellt, ob ich denn mit einem digitalen Stift arbeite. Die Antwort lautet: Nein, ich benutze noch ganz klassisch Bleistift und Papier. Es gibt keine bessere Art, eine noch nicht ausgereifte Idee Form werden zu lassen. Dabei ist die Übersetzung durch die Hand manchmal so intuitiv, dass ich selbst vom Ergebnis meiner Zeichnungen überrascht bin. Die digitalen Zeichenprogramme sind eine enorme Erleichterung. Sie sparen Zeit, erlauben extreme Präzision und ermöglichen einen schnellen Vergleich verschiedener Varianten. Alle Installationen und Geschosse können überlagert und so auf Unstimmigkeiten untersucht werden. Das einzige Manko ist die Inkompatibilität der unterschiedlichen Programme.
Ein weiterer Aspekt aktuell vorhandener, aber noch nicht vollständig ausgereizter technischer Möglichkeiten ist das dreidimensionale Zeichnen. Viele Zeichenprogramme unterstützen die Erstellung von 3D-Modellen und ermöglichen somit auch das Generieren von Schnitten und Ansichten auf Knopfdruck.
Bis ins letzte Detail ausgearbeitete Hochglanzrenderings sind jedoch mit Vorsicht zu verwenden. Denn wenn die virtuellen Blumen in der Vase bei einer Kundenpräsentation nicht gefallen, wirkt sich das als Minuspunkt für die gesamte Planung aus. Ein Grund, warum ich inzwischen wieder bei den echten Handskizzen angekommen bin. Die „künstlerische“ Arbeit wird von Kunden honoriert, und sie verstehen die Darstellung leichter als einen Entwurf, als Phase und Schritt eines Prozesses. Wir sollten die Phantasie unserer Kunden anregen und das Erfahren der Haptik der eingesetzten Materialien mit echten Materialmustern ermöglichen. Der Prozess des Realwerdens einer Zeichnung ist außerdem viel spannender als die Feststellung, dass die Realität nicht immer ganz der virtuellen Welt entsprechen kann.
Die Digitalisierung der Umgebung, die wir entwerfen, bringt wiederum ganz andere Herausforderungen mit sich. Denn die Planung der Steuerung von Raumtemperatur, Belüftung, Beleuchtung, Alarmanlagen und Türverriegelungen bis hin zum smarten Kühl- oder Weinschrank erfordert inzwischen die Einbindung mindestens eines Fachplaners. „Smart“ bedeutet in der Regel einen Aufpreis, der mit dem Bauherrn ausführlich besprochen sein will. Beim Smart Home von morgen geht es nicht mehr nur um den Komfort, den jeder Einzelne per Touchpad steuern kann, sondern um ein lernendes System, das sich an individuelle Bedürfnisse und Abäufe anpasst. Allerdings ist für die kontinuierliche Auswertung der Nutzerdaten eine komplexe Sensorik und natürlich auch digitalaffine Lebensweise vonnöten.
Das System hat Zugriff auf den Terminkalender, die Kontakte und sogar den Gesundheitszustand der Bewohner, um assistiertes Wohnen bei pflegebedürftigen Personen anbieten zu können. Eine Entwicklung, die angesichts des demografischen Wandels unvermeidbar zu sein scheint und außerdem ein unabhängiges Leben in vertrauter Umgebung auch für Hilfsbedürftige ermöglicht, aber einen Grad an Transparenz erfordert, der im Hinblick auf Datenschutz große Fragen aufwirft.
Aber was bedeuten diese Entwicklungen konkret für die Innenarchitektur? Wie werden solche Projekte geplant? Werden zweidimensionale Pläne irgendwann wirklich passé sein? Wie werden die entsprechenden Technologien aussehen und wie lassen sich von Anfang an alle möglichen, zukünftigen Kontroll-, Steuer- und Gerätekomponenten in die Planung einbeziehen? Welche Materialien werden hierfür zum Einsatz kommen?
Vielleicht hat hier die Innenarchitektur eine ausgleichende Aufgabe: Je digitaler unser Lebensumfeld wird, desto mehr müssen unsere eigenen vier Wände authentisch sein. Je mehr unser Alltag virtuell und global stattfindet, desto greifbarer und konzentrierter muss unsere Umgebung sein. Visuelle Ruhe und fühlbare Echtheit sind dann erst recht die notwendigen Zutaten unserer Designkonzepte.
Larissa Kadner, Innenarchitektin bdia, LAKA LAB, München