Ein Weltbürgerhaus in Obertraubling von Basque Et Partner
Nicht nur in Bayern warten zehntausende von Kriegsflüchtlingen in Behelfsunterkünften nach monatelanger Flucht auf eine Perspektive in einer neuen Heimat, warten auf ihre Registrierung und verstehen gleichzeitig die Sprache und Kultur wenig. Traumatisierte Menschen sind so nach lebensgefährlichen Wochen und Monaten zum Nichtstun verdammt. Unter den Flüchtlingen können Auseinandersetzungen und Frust entstehen. Für BDIA Mitglied Ulla Basqué von Basqué Et Partner aus Regensburg ein bedrückender und unbefriedigender Zustand, auf den sie als Innenarchitektin Antworten finden möchte.
Sie beschäftigt sich mit zwei Schlüsselfaktoren für verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln: Leerstand sinnvoll nutzen und Flüchtlingen einen menschenwürdigen Aufenthaltsort zu verschaffen. Für ein denkmalgeschütztes, ehemaliges BayWa-Lagergebäude im Herzen des Ortes Obertraubling bei Regensburg hat sie ein Wohnkonzept vorgeschlagen, das nicht nur eine vernachlässigte Straße wieder mit Leben füllen kann, sondern gleich von Beginn besonderes Potenzial hat, denn es soll gemeinsam gebaut werden! Die Gelegenheit, sich einen eigenen Ort mit zu erschaffen hilft, neue Wurzeln zu bilden, selbst wenn dieser nur temporär ist. Einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen und gleichzeitig Alltag zu erleben, der von Arbeit und Strukturen bestimmt wird, wirkt dem Nichtstun entgegen, beugt Depression und Isolation vor.
Für die am Bau beteiligen Firmen bedeutet dies, gemeinsam mit einem Teil der zukünftigen Bewohner zu bauen und sie durch Praktika und Arbeitspraxis zu fördern. Vorbild für den Entwurf ist das „Grandhotel Cosmopolis“ in Augsburg, ein gesellschaftliches Gesamtkunstwerk mitten im Augsburger Domviertel, welches als Flüchtlingsunterkunft/Hotel/Kulturort verschiedene Räume bietet und Akzente setzen kann für ein friedliches, urbanes Zusammenleben.
In Basqués Entwurf wird das Lagergebäude in 8 Häuser eingeteilt. Im Kopfteil des alten Lagergebäudes befindet sich mit einem großen Gemeinschaftsbereich, Küche und Terrasse ein Ort für Gemeinschaft und Begegnungen im Alltag, auch mit Nachbarn und Besuchern. Hier sollen auch Studenten leben. Die anderen 7 Häuser dienen Familien mit Kindern und anderen Flüchtlingen ein neues Zuhause.
„Viele Beispiele für Integration durch gemeinsames Bauen gibt es leider nicht,“ sagt Ulla Basqué. „Obwohl solche Maßnahmen zu einer Identifikation mit dem Ort verhelfen und Kosten minimieren können. Hilfe zur Selbsthilfe ist ein guter Weg, lokale Ökonomien zu stärken und wirtschaftsfördernde Effekte auszulösen. Viele Bestandsbauten befinden sich in funktionierenden, innerstädtischen Quartieren – und könnten neue Räume für Integration bieten.“ cu
Der Artikel ist erschienen in der AIT Juli/August 2016.