Farbpsychologie in der Innenarchitektur
Der umbaute Raum ist – rein philosophisch betrachtet – formlos. Im materiellen Sinne ist er eine feste Proportion. Diese füllen wir mit Emotion und mit Zweck. Ein Innenraum wird nicht nur konstruiert, er wird zuvor auch erfühlt. Dies geschieht intuitiv, dann emotional und als drittes konstruiert. Doch auch für die planenden Berufe und die Innenarchitekt*innen, die konstruieren, ist es von großer Relevanz, was die Farben aus dem Gesamtkontext machen. Das umfasst nicht nur farbige Anstriche, sondern ebenso farbiges Mobiliar bis hin zu einer Küche in poppigen Farben.
Wo die Manipulation durch Farbe uns im täglichen Leben begegnet
Gibt es hier ein Beispiel, das genannt werden kann?
Ganz egal wohin wir schauen, uns erreichen ständig Farbbotschaften, die auf jeden Menschen wirken. Im Unterbewusstsein lösen sie Wohlgefühle oder Unwohlsein aus. Die Farblehren von Goethe, Rudolf Steiner und dem Bauhaus-Lehrer Johannes Itten sind hier die grundlegenden Quellen. Das Ziel eines gutes Farbkonzeptes ist es immer, die Nutzer*innen in ihrer Emotion abzuholen und dabei gleichsam die Innenarchitektur als auch die gegebene Architektur zu unterstreichen.
Farb-Design ist auch immer Psychologie
In so vielen wunderbaren Gebäuden wird die Emotion oft vermisst. Dabei lohnt ein Blick auf die großen Kulturen: Sie zeigen, wie subtil die Besucher*innen beispielsweise eines ägyptischen Tempels beeinflusst werden, allein durch Lichteinfall und Proportion. Gleiches wenden die christlich-abendländische Kirche und alle anderen Religionen beim Bau ihrer Gotteshäuser an. Sie alle spielen mit der Proportion, um in den Menschen ein Gefühl zu erzeugen: Um sie von sich abzulenken oder zu sich selbst hinzuführen. Diesen Effekt nutzen zum Beispiel viele Klöster. Das alleine wäre einen Kurs wert! Wer schon einmal in der Mezquita, der Kathedrale von Cordoba war und das mit einem Besuch im Kölner Dom vergleicht, versteht, was hier gemeint ist.
Gleiches gilt, wenn wir Urlaub im Süden oder ganz im Norden erleben. Woran erinnern wir uns danach? An Form, Materialität und Farbe. Wenn uns Farben so stark berühren, dann ist auch erlernbar, wie Farbkonzepte zu entwickeln sind, die auf eine Person im positiven Sinne zugeschnitten sind. Die Inszenierung von Emotion sollte an den Hochschulen ein eigens Fach sein, zumindest eine viel höheren Stellenwert haben.
Wohngefühle werden erzeugt
Eine farbtherapeutische Ausbildung macht das Abwägen der Farbbedürfnisse leichter als für andere Designer. Es wird sofort klar, wann eine Überstimulation entstehen könnte oder ob der Farbeindruck zu wenig ist oder zu pastellig oder gar zu süßlich, um die gewünschte Behaglichkeit zu erzeugen. Der Mut zur Farbe dringt aus manchen Lifestyle-Magazinen wie eine Aufforderung und wird leider oftmals ohne Wissen angewandt.
Stimmige Farbgebung kann so vieles: Behaglichkeit erzeugen, Identifikation schaffen, Inszenierung eines Lebensstiles, die Corporate Identity einer Firma sichtbar machen, ein Gebäude mit dessen Umfeld verbinden. Wenn wir als Planer*innen die Bedürfnisse unserer Bauherr*innen hinterfragen, bündeln und erkennen, gilt es, das Wissen um die Wirkung der Farben und der haptisch wirksamen Materialien in Einklang zu bringen. Im besten Fall fühlt sich der Auftraggebende sehr schnell erkannt und sichtlich wohl – was auch die Architekt*in in einigen Fällen schon stutzen ließ, wie gut ihr Entwurfskonzept dann angenommen wurde.
Farbgebung kann Wege leiten und Emotionen lenken
Wenn die Einrichtungsplanung mit der Planung der Fassadenfarben Hand in Hand geht, ist das ein großer Vorteil, vor allem bei Industriebauten oder Freizeitbädern. Beim Neanderbad in Erkrath bestand die Herausforderung darin, dass die Bausubstanz und die Elemente
im Bad bestehen blieben. Hier mussten zahlreiche Materialfarben ins Konzept integriert werden, von den Fensterrahmen übers Tragwerk und die Betonstützen bis hin zu den Randelementen der Schwimmbecken und den Fliesen. Jede Oberfläche hat ihre eigene Haptik und weist einen unterschiedlichen Glanzgrad auf. Außerdem spielt der Lichteinfall eine große Rolle und die vorgegebenen Farben in der Umgebung haben einen starken Einfluss. Nicht zuletzt muss ein Konzept als Ganzes schlüssig sein – egal aus welcher Richtung man in einen Raum oder auf ein Objekt blickt.
Marion Timphus
Marion Timphus, ist Farbdesignerin und Expertin der Farbpsychologie und seit 1992 selbständige Farbdesignerin. Sie entwirft Farbkonzepte für private Bauherren, Praxen, Architekt*innen sowie Industrie und Freizeitbäder. www.la-colorista-farbarchitektur.de