„Ich habe nur eingegriffen, wenn es um Abwägung zwischen Funktionalität und Ästhetik ging.“ Jörg Freudensprung, Bestattermeister aus Bamberg

Sie führen ein Bestattungsunternehmen in der 3. Generation. Und Sie haben neu gebaut. Wie waren Ihre Anforderungen, und wer waren Ihre Partner in der Planung?

Die Anforderungen haben sich durch jahrelange Berufserfahrung ergeben. In einem Altbau aus den 50’er Jahren stößt ein modernes Unternehmen sehr schnell an seine Grenzen und die Möglichkeiten der Anpassung sind irgendwann erschöpft. Dabei geht es nicht unbedingt um die Außendarstellung, sondern vielmehr um die reine Funktionalität des Baukörpers im Hinblick auf die jeweiligen Geschäftsprozesse. Nicht nur die Verwaltung stellt ganz andere Anforderungen an Arbeitsplätze als das noch vor Jahrzehnten der Fall war, sondern je nach Branche haben sich aber auch die Arbeitsabläufe mehr oder weniger geändert. Bei den Bestattungsunternehmen sind heute Aufbahrungsräume zur Abschiednahme genauso selbstverständlich wie eigenen Kühl- und Hygieneräume zur Versorgung der Verstorbenen. Darüber hinaus wollte ich auch eine eigene kleine Trauerhallen und Gastronomieräume für den Trauerkaffee anbieten.
Wenn man dann mit der Planung eines neuen Betriebsgebäudes beginnt, sollte man sehr klare Vorstellungen davon haben, welche Leistungen man in Zukunft anbieten möchte und wie die zukünftigen Betriebsabläufe erfolgen sollen. Dabei hat mir sehr der „Blick über den Tellerrand“ geholfen, denn die besten Tipps waren die Erfahrungen von anderen Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet.
Nachdem ich die Anforderungen definiert hatte, habe ich die weitere Gestaltung komplett in die Hand des Architekten gegeben. Dieser hat dann meine Vorgaben in ein Gebäude verwandelt und ich habe nur noch eingegriffen, wenn es um die Abwägung zwischen Funktionalität und Ästhetik ging. Dabei hat mein Architekt auch die Ausstattung der Innenräume vorgeschlagen, was bei einem Neubau leichter möglich ist.

Warum haben Sie sich für einen virtuellen Rundgang durch Ihre Geschäftsräume enschieden?

Der Neubau inklusive Standortwechsel war für uns auch ein Risiko. Deshalb war es für uns sehr wichtig, dem Kunden auch die neuen Räumlichkeiten zu zeigen. Unsere Website bietet dafür eine optimale Plattform, denn wer sich für das Innenleben eines Bestattungsinstitutes interessiert, der kann bei uns anonym hinter die Kulissen blicken. Das baut Hemmungen ab und gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, sich darzustellen. Das Gebäude ist schließlich auch die Visitenkarte des Unternehmens und ein transparenter Einblick schafft Vertrauen. Mit wenigen Klicks kann man nun durch das Gebäude gehen und einen Blick in jeden einzelnen Raum werfen.

Wie wichtig ist der Raum, wenn man trauert, Abschied nimmt?

In einer Trauersituation reagiert man oft empfindlich auf alle äußeren Einflüsse. Ein dunkler, trister Raum, in dem ich mich unwohl fühle, verstärkt meine Beklommenheit. Daher war es für mich immer das vorrangige Ziel, dass der Raum sich möglichst zurücknimmt und in den Hintergrund tritt. Durch helle, offene Räume kann man versuchen, die Hemmschwelle zu senken, denn kaum jemand geht gerne zu einem Bestatter. Bei der Gestaltung einer Trauerhalle hängt das Wohlbefinden sehr vom individuellen Geschmack ab und man muss versuchen, den schmalen Grat zwischen Neutralität und Zurückhaltung auf der einen Seite, sowie Nüchternheit und Kälte auf der anderen, zu gehen. Grundsätzlich sollten Trauerräume immer den Verstorbenen in den Mittelpunkt stellen und es den Angehörigen erleichtern, Abschied zu nehmen.

Was haben Sie damals aus dem Wettbewerb und dem Kongress mitgenommen? Sind Innenarchitektinnen und Innenarchitekten wichtige Partner in für Ihre Branche?

„Trauer braucht Raum“ war eine Veranstaltung, die viele Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis vorgestellt hat. Die Besucher konnten sich einen Eindruck verschaffen, wie ein Trauerhaus „auch“ aussehen kann und sich informieren, wie man am besten dabei vorgeht. Die Veranstaltung war eine ideale Hilfestellung für Bestatter, die sich räumlich verändern möchten. Ich hätte mir viel Arbeit erspart, wenn ich bei meiner Planung auf einen solchen Erfahrungsschatz hätte zurückgreifen können.

Jörg Freudensprung, Bestattermeister und Geschäftsführer des Bestattungsinstitut Pietät, Bamberg beantwortet als engagierter Bauherr Fragen zu seinem Unternehmen.

» www.pietaet-babmberg.de

Erschienen in der AIT 11/2015