Make room for distance

Innenarchitektur steht derzeit im Fokus wie selten zuvor. Innenarchitekt*innen besitzen eine unschlagbare Expertise und mehr denn je sollten sie mit den Architekt*innen von vorne herein beim Planungsprozess zusammenarbeiten, um die jetzt in der Krise mit aller Wucht zutage tretenden Defizite im Wohnungsbau zukünftig zu vermeiden: „Flexible Grundrisse, unterschiedlichste Wohnungstypen für unterschiedliche Wohnbedürfnisse, Lebensphasen und Lebenszuschnitte, für Homeoffice und Alten-Wohngemeinschaften, für Nerds genauso wie für Mehrgenerationenhaushalte – alles Fehlanzeige“, schreibt der Berliner Tagesspiegel.   Doch ohne Bauherr*innen, die nicht nur auf Normlösungen pochen, wird das schwer.

Die gemeinsame Umfrage zur Coronakrise von Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer zeigt (BAK und BIngK), dass sich Architektur- und Innenarchitekturbüros auf wirtschaftlich schwierige Zeiten einstellen. Der Berufsstand wird vor allem von nachgelagerten Effekten betroffen sein. Über 6.000 Architekt*innen aller Fachrichtungen hatten Anfang April an der Umfrage teilgenommen. Mehr als drei Viertel der Befragten spüren bereits konkret die Folgen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19, ein Drittel sogar deutlich negative. Die Auswertung zeigt auch, dass Innenarchitekt*innen jetzt schon am stärksten betroffen sind.

Die meistgenannten Probleme stellen abgesagte oder zurückgestellte Aufträge dar (52%), Verzögerungen im Genehmigungsprozess durch eine unterbesetzte öffentliche Verwaltung (41%) sowie Störungen auf der Baustelle (34%). Ab dem 2. Halbjahr 2020 rechnen Architekten und Ingenieure insgesamt mit einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und finanziellen Einbußen. 58% der befragten Büroinhaber stellen zum Zeitpunkt der Befragung negative wirtschaftliche Folgen für das eigene Büro fest oder können diese absehen. Besonders häufig betroffen sind Büros für Innenarchitektur (79%).

53% der Büroinhaber stellen sich auf Liquiditätsengpässe ein: 18% haben zum Befragungszeitpunkt bereits Liquiditätsprobleme oder erwartet sie noch in der ersten Jahreshälfte. 35% rechnen im zweiten Halbjahr 2020 mit Zahlungsengpässen. In einem Fünftel der Büros sind die Mitarbeiter nicht mehr ausgelastet oder werden es in Kürze nicht mehr sein. Während sich kleine Büros häufiger mit Liquiditätsproblemen konfrontiert sehen, geben größere Büros häufiger an, nicht mehr ausgelastet zu sein.

Auch der bdia hat seine Mitglieder Ende April in einer Umfrage befragt. Wir haben offene Fragen formuliert, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Die Umfrage ist daher nicht repräsentativ, sondern zeigt Trends und Themen auf, mit denen sich bdia Mitglieder konfrontiert sehen. Insgesamt ist festzustellen, dass die Antworten die Ergebnisse aus der BAK-/ BingK-Umfrage wiederspiegeln. Viele sind von Auftragsverschiebungen und Stornierungen betroffen. Vor allem Aufträge aus den Branchen Gastronomie, Messebau, Retail und Hotellerie sind stark zurückgegangen oder wurden storniert bzw. bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Auch der Office-Bereich von Unternehmen, die von der Coronakrise aktuell stark betroffen sind wie zum Beispiel Fluggesellschaften und Tourismusbetriebe, zählt dazu. Dagegen gibt es aber auch viele Mitglieder, die weiterhin viel zu tun haben und die Auftragslage gut ist – da gerade jetzt alle Mitarbeiter der Auftraggeber zu Hause sind und für Umbauten, Neugestaltung und Renovierungen die Bahn frei ist.

Genehmigungsprozesse dauern dagegen noch länger als sonst, da die Mitarbeiter*innen von Behörden teils für Wochen nicht oder sehr schlecht zu erreichen waren. Gerade jetzt würde die Möglichkeit eines digitalen Bauantrags sehr helfen, doch dieser ist noch nicht umgesetzt. Auch mit Materialengpässen haben viele Innenarchitekt*innen zu kämpfen, vor allem aus Spanien, Italien aber auch China.

Die finanziellen Hilfen der Bundesregierung wurden größtenteils positiv aufgenommen, doch müssen diese unbedingt über den Mai hinaus zur Verfügung stehen. Wie alle Planerberufe fürchten auch die Innenarchitekt*innen, dass sie von zeitverzögerten Effekten finanziell betroffen sein werden. Dann, wenn laufende Aufträge beendet sind und keine neuen Aufträge reinkommen. Vereinzelt berichten bdia Mitglieder aber auch, dass sie als Solo-Selbständige teils schlechte Erfahrungen bei Ämtern gemacht haben, wenn es um konkrete Nachfragen für finanzielle Unterstützung ging. Der bdia ist hier weiterhin mit der Bundesarchitektenkammer und dem Berufsverband der Freien Berufe im ständigen Austausch hinsichtlich der Anliegen von Freiberuflern und Solo-Selbständigen.

Die befragten Innenarchitekt*innen wünschen sich letztlich auch Planungssicherheit, denn daran hängen Aufträge und Akquise. Auch die weitere rechtliche Unterstützung des bdia sei gefragt, wobei positiv aufgenommen wurde, dass der Verband eine kostenfreie rechtliche Fragestunde mit Prof. Peter Fischer bereits Ende März anbot. Hier sind weitere Online-Beratungen geplant. In den Antworten der Teilnehmenden wurde zudem wieder sehr deutlich, dass die Einschränkung der Bauvorlaberechtigung für Innenarchitekt*innen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil darstelle. Der bdia setzt sich schon lange dafür ein, diese ungerechtfertigte Einschränkung der Berufsausübung der Innenarchitekt*innen in den Bauordnungen der Länder zu beseitigen und wird dies weiter mit Nachdruck tun.

© bdia