Nördliche Wallhalbinsel Lübeck 06.12.2013

Vor Beginn unserer Landesmitgliederversammlung in Lübeck konnten wir uns im Rahmen einer hochinteressanten Führung ein Bild zu den abrissgefährdeten Bestandsbauten auf der Nördlichen Wallhalbinsel machen.

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an Herrn Jörg Sellerbeck jr. von der B.I.R.L. (Bürgerinitiative rettet Lübeck) für die ehrenamtlich investierte Zeit!

Die Bebauung in ihrer heutigen Form entstand zwischen 1885 und 1944 nach Plänen von Hafenbauingenieur Peter Rehder. Bei dem Ensemble handelt es sich um den ersten sogenannten Hafenbahnhof. Zwischen beiden Schuppenreihen ist der Hauptschienenstrang aufgefächert in 5 innere Stränge; dazu gibt es zwei äußere für die Krane. Dies war seinerzeit Vorbild für den Bau der Nr. 50er-Schuppen im Hamburger Hafen. Von dort aus trat das Konzept seinen „Siegeszug“ in die ganze Welt an.

Führung  Fotografin Petra Klempau
Führung
Fotografin Petra Klempau

In seiner Gesamtheit ist es der einzig erhaltene Hafenbahnhof europaweit! Zur Anlage gehören auch das Pförtnerhaus mit Fahrzeug-Waage sowie das Brückenhaus für die Drehbrücke hinüber zur Altstadtinsel und den dort angesiedelten Anlagen. Im Brückenhaus war die Dampfmaschine untergebracht, die gleichzeitig für den Antrieb der Krane sorgte. Besonders markant ist der Bockdrehkran an der Insel-Spitze.

Weitsichtig angelegt, auch in Bezug auf die Kapazitäten, wurde hier bis in die 1980er Jahre Ware umgeschlagen. Durch den Bau des Elbe-Lübeck-Kanals wurde Lübeck Knotenpunkt zwischen See- und Binnenschiffahrt. Der Schwerpunkt lag daher im

Umladen von Schiff zu Schiff (längs) gegenüber Durchladen von Wasser zu Land (quer) mit Pufferspeicherung in den Schuppen.

Spaziergang Fotografin Petra Klempau
Spaziergang
Fotografin
Petra Klempau

Die Gebäude sind durch Plattenfundamente auf der alten Wallanlage gegründet, die verstärkt wurde mit zusätzlichen Eichenpfähle und der Kaimauer. Diese hält wie ein Ringanker den Untergrund zusammen. Existentiell ist daher der weitestgehend gleichbeibende Wasserstand, der für beständige Druckverhältnisse sorgt und dafür, dass die Eichenpfähle immer im Wasser stehen.

Seit Einstellung der Hafennutzung hat sich Gewerbe angesiedelt, das auf der Innenstadtinsel nicht oder nur unter strengen Auflagen erlaubt ist, jedoch der Nähe bedarf. Gleichzeitig ist es eine Bereicherung für Bevölkerung und das Gewerbe dort. Die Innenräume der Schuppen sind sehr interessant und unterschiedlich, bieten also vielfälitge Nutzungsmöglichkeiten.

Bereits erfolgreich saniert wurde der Kaufmannsspeicher, heute „Media Docks“, in dem wir unsere Mitgliederversammlung abhalten konnten. Wir hatten das Glück, uns ebenfalls die Büroräume im 1.OG mit vorgelagerten, sehr reizvollen, Loggien auf der Wasserseite und Blick auf die beleuchtete Altstadt ansehen zu können – hier arbeitet ein ehemaliges Mitglied.

Erklärungen Fotografin Petra Klempau
Erklärungen
Fotografin Petra Klempau

Äußerst problematisch ist die aktuelle Politik der Stadt, Pachtverträge aller anderen Gebäude nur mit monatlicher Kündigungsfrist abzuschließen. Dies macht eine zukunftorientierte Planung für Interessenten derzeit unmöglich und behindert die Entwicklung.

Die B.I.R.L. hat in jahrelanger beständiger und fachlich fundierter Protestarbeit Großartiges erreicht; denn seit Ende August gibt es nun ein Moratorium bis Mitte 2015. Dann soll erneut über die Nutzung/Bebauung des Areals entschieden werden.

Eine Gruppe von Fachleuten hat ehrenamtlich ein Konzept zur Erhaltung und behutsamen Weiternutzung des kulturhistorisch einmaligen Areals erarbeitet; auch die Wirtschaftlichkeitsanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass dies lukrativer ist als eine Neubebauung.

Das Konzept der B.I.R.L.  „Wallhalbinsel-Nord“ (WHIN) findet sich als pdf zum downloaden unter http://www.lübeck13.de/konzeptwortundbild.html. Es spricht für sich, daher lohnt sich ein Blick hinein; für uns Innenarchitekten, als Fachleute für das Bauen im Bestand, ist das Areal definitiv ein reichhaltiges Betätigungsfeld. Die Projektkoordinatoren würden sich über eine Kontaktaufnahme sehr freuen.

Im Gespräch Fotografin Petra Klempau
Im Gespräch
Fotografin Petra Klempau