“Standortbestimmung Energieeffizienz: Werden wir Innenarchitekten wahrgenommen?” von Jürgen Otte
Das Thema der Energieeffizienz beschäftigt unsere Gesellschaft. Auswirkungen des noch immer um-strittenen Klimawandels treiben eine öffentliche Diskussion mit unterschiedlichsten Blickwinkeln auf das Thema voran. „CO2 Reduktion“, „Wärmedämmung: nützlich oder schädlich?“, „Erneuerbare E-nergien“, „Kraft-Wärme-Kopplung“ sind einige der Schlagworte, die in der Presse und den diversen Formaten des Fernsehens präsent sind. Zur weiteren Kakophonie dieser Themenbereiche trägt ein „unsortiertes“ Internet bei.
Beteiligen wir InnenarchitektInnen uns an diesen Diskussionen? Werden wir als GesprächspartnerInnen zu diesen Themen befragt? Haben wir eventuell sogar eigene Themenbereiche, mit denen wir uns an der öffentlich geführten Diskussion so beteiligen können, dass unser Berufsstand als ein „Mitspieler“ erkennbar wird? Sind wir, die wir uns umfassend mit Raumqualitäten auseinanderset-zen, nicht sogar die prädestinierten Fachleute, wenn es um die Qualität von Luft, die angenehme Raumwärme und die dazu passende Luftfeuchtigkeit geht?
Zur Anregung einer längst überfälligen Diskussion einige Statements:
Die gesellschaftlichen Vorgaben
„Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der Energiewende mehr Gewicht erhalten. Fortschritte bei der Energieeffizienz erfordern einen Sektor übergreifenden Ansatz, der Gebäude… umfasst und dabei Strom, Wärme und Kälte gleichermaßen in den Blick nimmt.“ So steht es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus dem Dezember 2013. Die Umsetzung der im Vertrag festgelegten Ziele erfolgt durch unterschiedliche Fördermaßnahmen der Bundesministerien und der KfW-Bank. Zugelassene Berater unterschiedlicher Berufsgruppen stehen als „Lotsen“ der Fördermittel an der Schnittstelle zwischen Fördergeldern und Hauseigentümern bzw. Investoren.
Die Außenwahrnehmung
Die Medien schreiben uns InnenarchitektInnen besondere Fähigkeiten und Kompetenzen im Bereich der harmonischen, stilvollen und nutzungsorientieren Innenraumplanung zu. Die eher technisch-wissenschaftlich belegten Begrifflichkeiten wie zum Beispiel „Wärmedurchgangskoeffizient“, „Transmissionswärmeverlust“ und „Taupunktunterschreitung“ werden als relevante Fachbegriffe unserem Berufsstand kaum zugeordnet.
Die Selbsteinschätzung
Begreift man Internetseiten als Aushängeschild der Kompetenzen und Qualitäten der Seitenbetrei-ber, so fällt bei den Internetseiten unserer selbständig tätigen Kolleginnen und Kollegen auf, dass das Thema „Gebäude-Energieeffizienz“ meist nur im Kleingedruckten auftaucht oder frühestens in den Untiefen der Internetseiten beleuchtet wird. (Hier nimmt sich der Autor ausdrücklich nicht aus!).
Die Berufsausbildung
Heutige Bachelor-Ausbildungen von InnenarchitektInnen widmen sich dem Thema „Gebäude-Energieeffizienz“ ausschließlich im Rahmen der Seminar-Module „Gebäudeausrüstung und Bauphy-sik“. Auf Grund der Breite des Berufsbildes kann das Studium hier nur Grundlagenwissen vermitteln. Vertiefungen sind im Rahmen der Masterstudiengänge denkbar aber wohl kaum umgesetzte Praxis.
Die Berufspraxis
Spätestens mit Eintritt ins Berufsleben werden wir mit Fragestellungen der schadenfreien Ausfüh-rung von z.B. Außenwand- oder Dachkonstruktionen konfrontiert. Förderfähige Sanierungskonstruk-tionen werden von den Bauherren abgefragt. Jetzt setzen wir uns aktiv mit den physikalischen Wir-kungen von „Wärmedurchgangskoeffizient“, „Transmissionswärmeverlust“ und „Taupunktunter-schreitung“ am konkreten Bauprojekt auseinander. Müssen wir jetzt das Heft des Handelns an die Kolleginnen und Kollegen anderer Berufszweige übergeben? Sind es jetzt nicht oft die Statiker oder Architekten, die den Bauherren weiter beraten?
Die Spezialisierung
Eine Spezialisierung im Teilbereich „Gebäude-Energieeffizienz“ ist sicherlich nicht für jede Innenarchi-tektin oder jeden Innenarchitekten sinnvoll. Der kontinuierliche Besuch von entsprechenden Weiter-bildungen ist in meinen Augen aber für diejenigen, die im Bereich der Gebäudesanierung (Bauen im Bestand) tätig sind, zwingende Voraussetzung einer qualitätssichernden Berufsausübung. Eine Spezi-alisierung innerhalb unseres Fachgebietes, ähnlich den Fachanwälten der Rechtsanwälte, wäre lang-fristig sicherlich denkbar.
Ein (erstes) Fazit:
Ein Teil unserer KollegInnen bringt bereits durch die in der Ausbildung und der Berufspraxis erwor-benen Erfahrungen spezielle Qualitäten mit, um kompetente Partner auf dem Feld der „Gebäude-Energieeffizienz“ zu sein. Wenn wir die spürbaren Auswirkungen gelungener „Energie-Effizienz“ als zusätzliche Raumqualität begreifen, diese Qualität in unsere Beratung einbeziehen und diese über-zeugend in der Praxis für unsere Bauherren umsetzen, werden wir die öffentliche Wahrnehmung unseres Berufszweigs in Bezug auf dieses Thema positiv beeinflussen können. Zur langfristigen Ver-ankerung unseres Berufsstandes in dem rasch wachsenden Geschäftsfeld des „Wärmeschutzes und der Energieeffizienz“ wäre es wünschenswert, dass sich mehr Kolleginnen und Kollegen des BDIA als Sachverständige oder Gutachter mit dem Schwerpunkt „Energieeffizienz von Gebäuden“ qualifizieren und profilieren.
Autor: Jürgen Otte (Dipl.-Ing. FH) ist als Innenarchitekt Mitglied der AKNW und des BDIA. Seit 1992 selbständig tätig und mit „er-gänzender Hochschulprüfung in NRW“(2001) auch im Hochbau tätig. Seit 2002 unterschiedliche Qualifizierungen im Bereich der “Gebäude-Energieeffizienz“, Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz, zugelassener Berater für Programme des BAFA und der KfW.
Erschienen AIT 09/2014