“Stürmische Zeiten für berufsständische Versorgung…” von Constantin von Mirbach, BDIA

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Kammern sind ein Privileg der Selbstverwaltung…
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… doch gilt dies auch für die Rentenversorgung?

Eine wesentliche Säule unserer Alterssicherung sind die berufsständischen Versorgungswerke. Angestellte KollegInnen konnten sich in der Vergangenheit eigenverantwortlich von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen, um Teil einer Versicherungsalternative zu sein. Diese Befreiung von der Zahlung in die Rentenversicherung Bund (RV Bund) könnte nun für Angestellte stark erschwert bzw. verhindert werden aufgrund einer Reihe von Urteilen, die beim Bundessozialgericht (BGS) zu der Befreiung von Rechtsanwälten ergangen sind.
Das BSG hat am 31.10.2012 entschieden, dass bereits befreite Versorgungswerksmitglieder künftig bei allen Arbeits- oder Tätigkeitswechseln Befreiungsanträge gestellt werden müssen. Dies wurde bisher von der Rentenversicherung anders gehandhabt.
Ein noch schwerwiegenderes Urteil erging durch das BSG am 03.04.2014: angestellte Unternehmensanwälte werden grundsätzlich nicht mehr von der Rentenversicherung befreit. In der Vergangenheit wurde jeder Befreiungsantrag aufgrund eines Kriterienkatalogs überprüft. Die konkrete Tätigkeit musste dem Berufsbild eines freien, unabhängigen Beraters und Vertreters aller Rechtssuchenden entsprechen. Nach der Bunderechtsanwaltsordnung ist der Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Die Urteilsbegründung liegt zum Redaktionsschluss noch nicht vor aber aus dem bereits veröffentlichten Terminbericht geht hervor, dass Anwälte, die in Kanzleien arbeiten, ausdrücklich nicht von der Entscheidung betroffen sein sollen, auch wenn dies nicht weiter begründet wird. Was bedeutet die Entscheidung nun für die angestellten InnenarchitektInnen? Ob die RV Bund letztlich Befreiungen für den Berufsstand mit einer ähnlichen Begründung ablehnt ist noch offen. Das Bestreben, den Kreis derer, die befreit werden können, schärfer zu definieren ist aber abzusehen.

Wer definiert unser Berufsbild?
Es ist also zu befürchten, dass dieses Urteil auch Auswirkungen auf Angestellte anderer freien Berufe hat und letztlich deren Berufsbilder definiert. Für eine Befreiung von InnenarchitektInnen von der Rentenversicherungsplicht galt es bislang darzustellen, ob die Tätigkeit eine berufstypische ist. Sind die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen wesentlich für die Tätigkeitsausübung, war eine Befreiung möglich. In der Argumentation des Gerichts, Angestellten die Befreiung zu versagen, steht letztlich „Weisungsgebundenheit“ gegen „Freiberuflichkeit“. Berufsaufgaben sind gesetzlich definiert. Das Architektengesetz beschreibt sowohl eine planende Funktion des Architekten als auch die unmittelbare Beratung und Tätigkeiten in Funktion einer Bauherrenvertretung. InnenarchitektInnen sind also Sachwalter des Bauherren und ihnen sind vielfältige Verantwortungen durch den Gesetzgeber zugeordnet. Diese Aufgaben setzen ein gewisses Maß an Weisungsfreiheit voraus. Die RV Bund könnte eine Befreiung von InnenarchitektInnen also mit ähnlichen Gründen versagen.
Bei der Vielfältigkeit der möglichen Einsatzgebiete von InnenarchitektInnen ist entscheidend, dass differenzierte Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden, selbst wenn die Abgrenzung letztlich anhand anderer Kriterien als bei Rechtsanwälten vorgenommen wird. Doch hierfür hat das Gericht durch die pauschale Absage an Unternehmensanwälte möglicherweise gerader das Wasser abgegraben.

Arbeitgeber sind ebenfalls betroffen
Für Arbeitgeber ergeben sich daraus spiegelbildlich ebenfalls eine Reihe von Problemen, da sie verpflichtet sind, Rentenversicherungsbeiträge an die Rentenversicherung abzuführen. Von dieser Verpflichtung wird nur bei einer wirksamen Befreiung eine Ausnahme gemacht. In diesem Fall zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Beträge aus, der sie dann an das Versorgungswerk abführt. Die Probleme beginnen, wenn bei einer Betriebsprüfung festgestellt wird, dass keine wirksamer Befreiung vorliegt. Dann stehen Nachzahlungen an die Rentenversicherung im Raum, obwohl Beiträge an das Versorgungswerk bereits bezahlt wurden. Es empfiehlt sich für Arbeitgeber in jedem Fall zu kontrollieren, ob für die konkrete Tätigkeit Befreiungsbescheide vorliegen. In Zweifelsfällen sollte eine Überprüfung durch die RV Bund herbeigeführt werden.

Mehr Fragen als Antworten!
Für unzählige Freiberufler und Angestellte stellen sich nunmehr Fragen hinsichtlich Ihrer Alterssicherung. Bis zu einer endgültigen Klärung durch das Bundesverfassunggericht und möglichweise auch durch den Gesetzgeber, sollten angestellte InnenarchitektInnen Befreiungsanträge stellen und gegen Ablehnungsbescheide vorgehen.
Die entscheidende berufspolitischen Fragen ist: Was passiert ganz grundsätzlich mit unserer Selbstversorgung? Wer definiert unser Berufsbild? Kann zur Unterstützung der betroffenen Kollegen das kodifizierten Berufsbildes in den Architektengesetzen mit Hilfe der Kammern überarbeitet werden?
Die Selbstversorgung wurde den Freiberuflern nicht geschenkt! Im Gegenteil: Freiberuflern wurde die freiwillige Versicherung in der staatlichen Rentenversicherung in den fünfziger Jahren versagt, woraufhin sie sich eigenständig organisiert haben. Die erheblichen Vermögenswerte, die die Versorgungswerke verwalten, wecken nun Begehrlichkeiten. Dies betrifft mittelfristig alle Mitglieder der Versorgungswerke, auch wenn aktuell „nur“ die angestellten Rechtsanwälte betroffen sind.

Text: Constantin von Mirbach, BDIA Bundesgeschäftsführer
Foto: Becher & Partner
Erschienen AIT 7/8 2014