Wohnen im Alter – Es geht uns alle an!
Wir alle werden alt. Und wir alle möchten dabei so gut leben, wie es geht. Zentraler Dreh- und Angelpunkt unseres Wohlbefindens ist dabei das Wohnen. Doch was muss bedacht werden, wenn die Kraft in Armen und Beinen nachlässt und jede banale Alltagshandlung zur Achtausenderbesteigung werden kann? Wir haben nachgefragt bei zwei Experten.
Wir Innenarchitekten sind gefragt!
Wie werde ich alt sein? Wann werde ich überhaupt alt sein? Das Alter als Zahl allein ist nicht entscheidend. Wenn ich Glück habe, führe ich hochbetagt ein fröhliches und selbstbestimmtes Leben und wohne bis zum Tod in meinen eigenen vier Wänden. Was aber wenn nicht? Und hängt mein Wohlergehen allein vom Alter ab? Persönliche Beschränkungen, körperliche Gebrechen, Krankheiten, mentale, psychische oder kognitive Veränderung können Menschen in jedem Alter betreffen.
Assistenz und Pflege im privaten Wohnumfeld lässt sich evtl. familiär oder organisatorisch lösen. Als Innenarchitektin empfehle ich oftmals mit kleinen Tricks schlanke Lösungen für bauliche Anpassungen und berate zu den finanziellen Fördermöglichkeiten.
In Seniorenzentren werden heute vorwiegend pflegebedürftige und demente Menschen betreut. Träger müssen knapp haushalten, es herrscht Personalnotstand und Zeitdruck. Es ist erwiesen, dass ein gutes Umfeld positive Auswirkungen hat. Gut gestaltete Räume und Strukturen beeinflussen das Wohlbefinden, verbessern die Orientierung und damit die Sicherheit der Bewohner. Weniger Unruhe und Stress wirken sich positiv auf die Senioren und damit auch auf Personal, Betreiber und Angehörige aus.
„Barrierefreies Bauen“ ist in den jeweiligen Bauordnungen verankert. Der Gesetzgeber definiert hier bauliche Grundsätze, detailliert diese durch die DIN 18040 und setzt somit Standards für den Wohnungsbau, damit wir möglichst lange und bis ins hohe Alter zuhause leben können. Diese Anforderungen bestimmen ein Gebäude aber so grundlegend, dass sie nicht erst mit der Werkplanung einfließen können, sondern bereits vor dem ersten Bleistiftstrich zu klären und zu berücksichtigen sind. Nur dann können aus den „Zwängen“ spannende, kreative, wirtschaftliche und damit auch nachhaltige Lösungen entstehen. Bauliche Standards reichen hierfür nicht aus. Hier ist das Know-how unserer Fachrichtung Innenarchitektur gefragt.
Autorin: Claudia Gerstner ist bdia Innenarchitektin, Sachverständige für Barrierefreies Planen und Bauen und Inhaberin von inexklusiv.de, Monheim
Mobilität, Freiheit, Autonomie
Als Mitglied der Babyboomer Generation entwickelt Michael Schlenke erfolgreiche Strategien für innovative Wohnformen im Alter. Nach seiner Ausbildung zum Möbeltischler, studierte er Betriebswirtschaftslehre in Rosenheim und arbeitete europaweit in der Einrichtungs- und Möbelindustrie. Zusammen mit dem BDIA hat er eine spannende Vortragsreihe unter der Überschrift ‚Wie werden wir im Alter wohnen? Zukunftsstrategien für die Aging Society’ ins Leben gerufen. Im Interview verrät er, warum sich die Berufsgruppe der Innenarchitekten mit dem Wachstumsmarkt Healthcare beschäftigen sollte.
In ihrer aktuellen Vortragsreihe stellen Sie die Frage, ob in Zukunft mehr Rollatoren als Kinderwagen unseren Alltag bestimmen werden. Was genau meinen Sie damit?
Ich möchte insbesondere die Kreativwirtschaft dafür sensibilisieren, dass wir in einer der ältesten Gesellschaften der Welt leben und uns der oft zitierte demografische Wandel bereits voll erwischt hat. Wir müssen heute – und nicht irgendwann in ferner Zukunft – an attraktiven Lösungen für das Wohnen im Alter arbeiten.
Welche Schwerpunkte gilt es zu beachten?
Es geht um Themen wie Mobilität, Freiheit, Autonomie und die Sicherstellung eines Lebensgefühls, das sich idealerweise am Bedarf möglichst aller Nutzergruppen orientiert. Erfolgreiche Innenarchitekten haben immer schon den Nutzer und seinen Bedarf im Visier gehabt. Jetzt heißt es den Fokus größer zu ziehen, um den besonderen Ansprüchen der älter werdenden Gesellschaft gerecht zu werden.
In Ihren Vorträgen sprechen Sie über so wichtige Themen wie Healing Architecture, Universal Design und die Bedeutung einer zielgruppengerechten Kommunikation. Bitte geben Sie uns ein Beispiel mit Bezug zum Healthcare Markt!
Im Prinzip ist es ganz einfach. Schaffen Sie Räume, in denen Menschen sich wohlfühlen. Zum Beispiel für die stetig wachsende, besonders schützenswerte Gruppe von Menschen mit Demenz. Sie werden schnell feststellen, dass sich in diesen Räumen eigentlich jeder gern aufhält. Aber bitte versehen Sie das Ganze nicht mit einer speziellen stigmatisierenden Überschrift.
Autor: Michael Schlenke, Inhaber des Beratungsunternehmens The Caretakers, Kaarst und Universal Design Experte.