„Themen setzen, Strukturen stärken“ – Halbzeitbilanz mit dem Präsidenten des bdia

Fast zwei Jahre ist es her, dass Professor Carsten Wiewiorra das Amt des Präsidenten beim bdia übernommen hat. Zeit für eine Zwischenbilanz. Im Interview spricht er über Erfolge, Herausforderungen und Ziele für die zweite Hälfte der Amtszeit.

Hallo Carsten, du bist seit 2023 Präsident des Verbandes. Man könnte sagen, bald ist „Halbzeit“ – wie fällt dein bisheriges Fazit aus?
Die ersten zwei Jahre waren sehr intensiv. Zusammen mit meinem Team im bdia Präsidium – Gabriela Hauser, Natascha Ninic und Johann Haidn – haben wir wichtige Themen vorangetrieben, sowohl intern im Verband als auch in der öffentlichen Wahrnehmung der Innenarchitektur. Und die sind eng verknüpft mit sozio-kulturellen und politischen Entwicklungen – die Umbauwende, Circular Design und Nutzer*innenzentrierung, aber auch die zunehmende Beeinflussung unserer Arbeit durch Künstliche Intelligenz. Vor und hinter allem steht, dass die Innenarchitektur als Akteur und Schrittmacher bei gesellschaftsrelevanten Fragen wahrgenommen wird: Sie ist der Katalysator!

Welche internen Entwicklungen im Verband waren dem Präsidium besonders wichtig?
Der bdia lebt vom Engagement seiner Mitglieder. Daher war mir die bessere Vernetzung der Landesverbände und der Austausch über digitale Plattformen ein wichtiges Anliegen. Mit der Gewinnung von Mandy Heinrichson als Geschäftsführerin konnten wir es gemeinsam angehen, Strukturen zu stärken und Strategien für die Zukunft zu entwickeln: Digitalisierung, Entbürokratisierung aber auch die Entwicklung neuer Formate, um neue und alte Mitglieder zu binden und zu begeistern. Mit großem Innovationsgeist trägt sie zusammen mit dem neu aufgestellten Team in der Bundesgeschäftsstelle dazu bei, dass wir uns fortlaufend professionalisieren und modernisieren.

Innenarchitektur entwickelt sich aktuell im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und gesellschaftlichem Wandel. Wie positioniert sich der bdia hierzu?
Es geht darum, wie sich die Innenarchitektur mit diesen Themen auseinandersetzt und als Protagonist wahrgenommen wird, was sie für den Wandel leistet und leisten kann.
Innenarchitektur hat eine Schlüsselrolle bei der Transformation gebauter Räume. Als der einzige Verband für Innenarchitekt*innen in Deutschland sind wir das Sprachrohr für fast 2.000 Mitglieder. Dieser Rolle wollen wir gerecht werden, indem wir auch inklusiver agieren. Unser erster Innenarchitektur-Summit ist beispielsweise nicht nur unseren Mitgliedern vorbehalten, sondern allen, die sich für Innenarchitektur interessieren. Damit können wir nur hinzugewinnen, z.B. dass wir als Berufsgruppe sichtbarer werden. Wir wollen die Öffentlichkeit und Entscheider*innen für gute Innenarchitektur begeistern und dafür sensibilisieren, dass Innenarchitektur kein Add-on ist, sondern die Grundlage für gesunde und nachhaltige (Lebens)Räume.

Du sprichst den Innenarchitektur-Summit an. Welche Idee steckt dahinter?
Hinter der Idee des Summits steckt zum einen der Wunsch danach, die Innenarchitektur als Treiber aktueller gesellschaftlicher und fachspezifischer Diskurse nach außen darzustellen und zum anderen das verbandsimmanente Motiv des „Verbindens“ greifbar zu machen. Wir tragen unsere Themen auf so vielen Kanälen nach außen. Daher war einer meiner ersten Veränderungsanstöße, komplexe Themen, aber auch die Kanäle, besser zu bündeln. In diesem Jahr beschäftigt uns die Umbauwende, nicht nur im bdia Handbuch Innenarchitektur, sondern auch auf den Bühnen des Summits. Zusammen mit dem eigens dafür gegründeten Programmkomitee, besetzt mit Expert*innen aus der Innenarchitektur, Lehre und Wirtschaft, kuratierten wir ein einzigartiges Programm, welches das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Wir möchten, dass unsere Gäste mit mehr Wissen gehen als sie gekommen sind. Deshalb haben wir uns neben Vorträgen für weitere Formate, wie Workshops, Seminare und Stadtspaziergänge entschieden.

Was war bisher die größte Herausforderung in deiner Amtszeit?
Zum einen ist das der Balanceakt zwischen tagesaktuellen Anforderungen, auf die ich ad hoc reagieren muss, und der langfristigen Strategiearbeit. Das erfordert ein hohes Maß an Abstimmung, Engagement, aber auch Geduld. Die Themen sind komplex und wir können sie nur bearbeiten, weil wir uns als Präsidiumsteam neu konfiguriert haben – jede und jeder fokussiert sich auf Themenblöcke und bringt die Ergebnisse regelmäßig ins Plenum ein. Der bdia ist ein ehrenamtlich getragener Verband, was auch für das Präsidium sowie die Landesvorstände gilt. Es geht darum, Aufgaben auf viele Schultern zu verteilen, damit sie leistbar sind. Der nächste Punkt ist: Präsenz zeigen. Als Präsident habe ich mir vorgenommen, da aktiv zu werden, wo Innenarchitektur als wichtiger Baustein wahrgenommen werden muss. Ich habe in den vergangenen Jahren gemerkt, wie bedeutsam das ist: nicht nur im Schulterschluss mit Kammern und Verbänden zu arbeiten, sondern auch den Draht zum einzelnen Mitglied nicht zu verlieren.

Was wünscht du dir für die zweite Hälfte deiner Amtszeit?
Ich wünsche mir, dass wir noch stärker als Gestalter*innen unserer zukünftigen Lebensräume wahrgenommen werden. Themen wie Gesundheit und Wohlbefinden, psychologische Raumwirkung, inklusives Design und nachhaltige Materialwahl sollten in allen Bauvorhaben selbstverständlich mitgedacht werden. Die Sensibilität und das Know-how dafür sind bereits im Innenarchitektur-Studium verankert. Der bdia hat hier mit seinen Mitgliedern die Expertise – wir müssen sie noch mutiger einbringen.

Und was möchtest du den Mitgliedern mitgeben?
Innenarchitektur verändert Lebensräume – im Kleinen wie im Großen – zu Hause, beim Arbeiten oder in der Freizeit – einfach überall. Ich ermutige alle Mitglieder, diese Verantwortung bewusst zu leben. Der bdia ist keine Funktionseinheit, sondern ein lebendiges Netzwerk. Unser gemeinsames Ziel bleibt: die Innenarchitektur als essenziellen Bestandteil der Baukultur zu verankern.

Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Juliane Fender im Mai 2025 für die AIT.

Foto: Das bdia Präsidium und die Geschäftsführung: v.l.n.r. Mandy Heinrichson (Bundesgeschäftsführerin), Gabriela Hauser (Vizepräsidentin), Carsten Wiewiorra (Präsident), Natascha Ninic (Vizepräsidentin), Johann Haidn (Vizepräsident und Schatzmeister)

Fotograf: Daniel Sonnentag