“Keine Beschränkung der Bauvorlage!” Zusammenfassung des bdia Gutachtens

Der bdia bund deutscher innenarchitekten hat in seinem Engagement gegen die Beschränkung der Bauvorlageberechtigung für Innenarchitektinnen und Innenarchitekten im Sommer 2018 ein Gutachten bei Kanzlei Leinemann & Partner Rechtsanwälte beauftragt. Die dabei erarbeiteten Bausteine liefern wichtige Argumente, um die Gesetzgebung zu sensibilsieren und die Verwaltungspraxis positiv zu verändern. Lesen Sie hier die Zusammenfassung – und diskutieren Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen. Wir bleiben dran am Thema!

Eine Abkehr von überzogenen Beschränkungen der Bauvorlageberechtigung ist geboten

Für niemanden, der im Europäischen Binnenmarkt seinen Beruf ausübt und bereits in der Tradition eines Europäischen Binnenmarkts sein Hochschulstudium aufgenommen hat, ist die heute aufzufindende Situation nachvollziehbar:
Bei bundesweit quasi vollständig harmonisierten Qualifikationsvoraussetzungen für die Ausübung des Berufs werden Grenzen der zulässigen Berufsausübung in den Bundesländern substantiell unterschiedlich gezogen. Die teilweise gängigen erheblichen Restriktionen bei der Berufsausübung durch eine weitreichende Beschränkung der Bauvorlageberechtigung werden als willkürlich und nicht sachgerecht empfunden.

Einschränkung ist ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung

Generell ist die Bauvorlageberechtigung erforderlich, um Genehmigungsplanungen für die Änderung bzw. Errichtung sowie den Abbruch von Bauwerken als verantwortlicher Planverfasser unterzeichnen zu dürfen. In der Praxis führt dies dazu, dass Planungsleistungen dort bestellt werden, wo eine entsprechende Berechtigung vorliegt. Damit besteht ein unabdingbarer Zusammenhang zwischen der Bauvorlageberechtigung und der Chance, Leistungen auf dem Planungsmarkt erfolgreich anzubieten. Beschränkungen der Bauvorlageberechtigung einer Berufsgruppe greifen deshalb spürbar in die Freiheit der Berufsausübung ein.

Ist die Beschränkung rechtlich zulässig?

Das Gutachten gelangt hinsichtlich der untersuchten Restriktionen der Berufsausübungsfreiheit der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten zu einem klaren Ergebnis:
Es ist weder sachlich gerechtfertigt noch rechtlich zulässig, dass Innenarchitektinnen und Innenarchitekten im Rahmen ihrer Berufsausübung weiter gehenden Beschränkungen unterworfen werden, als es zur Erreichung legitimer und verfassungsrechtlich zulässiger Schutzziele tatsächlich notwendig ist. Die Grenzen des insofern Zulässigen werden zumindest in einigen Bundesländern systematisch überschritten.
In der Sache wird der Umfang der Bauvorlageberechtigung der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten in der Verwaltungspraxis der für das Bauordnungsrecht zuständigen Bundesländer trotz weit gehend identischer landesgesetzlicher Regelungen unterschiedlich beurteilt. Das Spektrum des in einzelnen Bundesländern als zulässig Erachteten reicht dabei von der Bauvorlageberechtigung für planerische Maßnahmen,  die substantielle Änderungen an einem Bestandsgebäude nicht nur innerhalb der Kubatur mit sich bringen (wie  Anbauten, Erweiterungen und Aufstockungen) bis hin zu einer extrem restriktiven Sichtweise, nach denen nur Änderungen eines Bestandsgebäudes im geringen Umfang – nämlich wenn sie als „statisch-konstruktiv offensichtlich unproblematisch“ zu definieren sind – von der Bauvorlageberechtigung getragen werden sollen.
Die letztgenannte Restriktion der Berufsausübungsfreiheit ist als evident unverhältnismäßig und rechtlich unzulässig zu bewerten.

Bauvorlage ist an Qualifikationen geknüpft

Grundsätzlich ist es im Rahmen der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung zulässig, durch Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage Einschränkungen der Berufsausübung vorzunehmen. Dass die Freiheit des Einzelnen dort an ihre Grenzen stößt, wo ihre Ausübung zu Beeinträchtigungen Dritter führen kann, ist hierzulande selbstverständlich wird auch nicht ernsthaft hinterfragt. So erklärt es sich, dass der Gesetzgeber die Bauvorlageberechtigung an bestimmte Qualifikationen knüpft. Das Bundesverfassungsgericht  führt hierzu aus, dass der Sinn und Zweck der als zulässig  anzusehenden Bauvorlageberechtigung für bestimmte Berufsgruppen im Wesentlichen darin bestehe, die von mangelhaft errichteten Bauwerken ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verhindern. Das leuchtet ein. Insbesondere Fehlplanungen des Tragwerks haben tatsächlich Katastrophenpotential.

Den allkompetenten Entwurfsverfasser gibt es nicht

Aber ist es deshalb auch zulässig, die Bauvorlageberechtigung der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten auf „statisch-konstruktiv offensichtlich unproblematische“ Bauvorhaben zu beschränken? Vielleicht auf den allerersten Blick. Schaut man sich die auch insoweit identischen landesrechtlichen Regelungen an, ist Folgendes festzustellen:
Den allkompetenten Entwurfsverfasser gibt es offensichtlich nicht. So müssen auch die gemeinhin als „unbeschränkt“ bauvorlageberechtigt angesehenen Hochbauarchitekten fallspezifisch geeignete und besonders qualifizierte Fachplaner hinzuziehen. In der Praxis ist denn auch so, dass Hochbauarchitekten in vielen Fällen einen Tragwerksplaner / Statiker und weitere Fachplaner hinzuziehen müssen und dies auch tun. Warum sollte dies nicht auch eine Innenarchitektin oder ein Innenarchitekt dürfen, wenn es um ein Vorhaben geht, das statisch-konstruktiv problematisch ist? Ein sachlich überzeugender Grund hierfür ist nicht ersichtlich.

Architektur und Innenarchitektur: unterschiedliche Schwerpunkte, große Schnittmenge

Nicht in Abrede zu stellen ist, dass die Studiengänge Architektur und Innenarchitektur unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Es darf dabei aber nicht außer Betracht bleiben, dass die Inhalte der Studiengänge eine so große Schnittmenge aufweisen, dass hinsichtlich der Bauvorlageberechtigung nur bestimmte Einschränkungen wie etwa hinsichtlich der Planung der Neuerrichtung größerer Bauwerke als gerechtfertigt angesehen werden könnten.
Ein Blick über die Grenzen zeigt übrigens, dass es – ohne Gefährdung der zweifelsfrei legitimen Schutzziele, die zur Begründung der Beschränkung der Berufsausübung herangezogen werden – auch völlig anders geht. In der Schweiz ist es beispielsweise so, dass es in einigen Kantonen einer Bauvorlageberechtigung bedarf, in anderen wiederum nicht. Dort vertraut man stattdessen auf die Prüfung des Vorhabens durch die (ausreichend qualifizierte) Bauverwaltung. Entwürfe für Bauvorhaben darf dort jedermann einreichen. Geht man davon aus, dass der deutschen Bauverwaltung eine kompetente Kontrolle von Bauvorlagen nicht zugemutet werden kann oder zumindest nicht zugemutet werden soll (vielleicht weil dort zu viel Kompetenz abgebaut worden ist?) stellen sich die hier untersuchten Beschränkungen der Berufsausübung der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten im Ergebnis gleichwohl als unzulässig dar. Sie sind unverhältnismäßig, weil

  1. das Schutzziel der Sicherheit generell auch ohne eine Beschränkung der Bauvorlageberechtigung durch Hinzuziehung geeigneter Fachplaner gewährleistet ist und
  2. auch sekundäre Schutzziele keine derartige Beschränkung rechtfertigen, wie die Effizienz der Verwaltung, die bei Hinzuziehung geeigneter Fachplaner nicht gefährdet ist. Oder die gestalterische Planungsqualität, die nach Sicht des Gesetzgebers auch bei Zuerkennung einer „unbeschränkten“ Bauvorlageberechtigung an Ingenieure nicht gefährdet ist, deren Qualifikation in diesem Bereich aber generell geringer ist.

Eine Korrektur der restriktiven Rechtsanwendung der Bauvorlageberechtigung der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten ist deshalb überfällig.

Autor des Gutachtens sowie der Zusammenfassung ist RA Thomas Maibaum, Kanzlei Leinemann & Partner Rechtsanwälte, Berlin.

Die Zusammenfassung erschien in der AIT Ausgabe 11/2018. Lesen Sie hier die PDF-Datei.

Foto: Fit AG, Lupburg, Berschneider + Berschneider Architekten BDA + Innenarchitekten, Pilsach. Foto: Petra Kellner, Amberg. www.berschneider.com