“Wanted: Sachverständige Innenarchitektur!” von Arnold Derks, BDIA Sachverständiger
Wir kennen die Situation: PKW-Unfall, nur Blechschaden, dieser allerdings erheblich. Der Unfallverursacher empfiehlt, diesen selbst zu reparieren. Der Geschädigte beauftragt im Gegenzug seine Werkstatt, einen schwindelerregenden Kostenvoranschlag zu erstellen. Um nun für alle Beteiligten einvernehmlich eine Lösung zu finden, schaltet man ihn ein: Den Kfz-Sachverständigen.
Aber auch im gesamten Bausektor sind Sachverständige von entscheidender Bedeutung, wenn es fachliche Unklarheiten zu beseitigen, Bauschäden zu bewerten oder die Plausibilität eines Schadensherganges zu prüfen gilt. Sachverständige prüfen, bewerten und beraten neutral und werden von privaten und gewerblichen Auftraggebern, von Versicherungen oder von Gerichten beauftragt.
Berufshaftpflichtversicherer bevorzugen oft eigens beauftrage Sachverständige, meist freie oder Verbandssachverständige, die gleichzeitig auch als Schadenregulierer fungieren. Diese sind dann parteiisch tätig. Ein Versicherungsnehmer dahingegen wünscht sich nach einem Schadensfall oft einen neutralen Sachverständigen. Hierauf hat er in der Regel ab einer bestimmten Schadenshöhe sogar Anspruch (in den Verträgen als Obmann-Verfahren bezeichnet). Versicherungen müssen dann auf externe, unabhängige Sachverständige zurückgreifen, deren Anschriften und Qualifikationen sie über Verbände oder Kammern nachfragen können. Diese Listen bemühen bundesweit auch Gerichte, wenn zur Klärung fachlich schwieriger Fälle öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständiger benötigt werden.
„Sachverständiger“ ist kein geschützter Begriff
Der Begriff „Sachverständiger“ ist nicht geschützt. Jeder, der aus seiner Sicht besondere Kenntnisse und Erfahrung auf einem Fachgebiet besitzt, darf sich entsprechend nennen. Sehr vorteilhaft auf dem Markt ist es daher, eine entsprechende Qualifikation nachweisen zu können. Die höchste Qualifikation ist die des „öffentlich und bestellten und vereidigten Sachverständigen“. Zertifizierungen können für die europäischer Ebene und somit für das europäische Ausland erlangt werden kann. Fachverbände wie der BDIA oder die Architektenkammern der Länder sind zum Beispiel geeignete Institutionen, die wichtige Informationen und Netzwerk-Möglichkeiten anbieten. Im Rahmen von Sachverständigen-Arbeitskreisen stehen erfahrene Sachverständige interessierten Kollegen zur Verfügung.
Das Tätigkeitsfeld des Sachverständigen ist groß: Ein Bauschaden soll bewertet werden, der Sammler möchte den Wert seiner Objekte wissen, der Erbnachlass soll bewertet werden, Versicherungen lassen die Plausibilität eines Schadenhergangs nachprüfen, der Wert einer Immobilie muss ermittelt werden. Firmen suchen den Sachverständigen als externen Berater, Bauherren und Handwerker wollen eine ausgeführte Leistung überprüfen lassen. Oder der Sachverständige wird bei großen Bauvorhaben bereits bei der regulären Bauabnahme und Mängelüberprüfung, insbesondere in den technischen Funktionsprüfungen, hinzugezogen. In den Bereichen Baubiologie und Umweltfragen ist ein wachsender Bedarf an Sachverständigen zu verzeichnen. Auch Anfragen für Sachverständige zur Schimmelbegutachtung steigen rapide an.
Klare Tätigkeitsfelder für Innenarchitekten
Viele dieser Beispiele betreffen unmittelbar auch das Tätigkeitsfeld und das Fachwissen des Innenarchitekten. Ein Innenarchitekt, der auf dem Sachverständigenwesen tätig werden möchte, sollte sich zuerst über seinen eigenen Schwerpunkt klar werden und sich dann umfassend über diese Tätigkeit bei Verbänden, Kammern und Kollegen informieren. Wir Innenarchitektinnen und Innenarchitekten sollten uns verstärkt dem Aufgabengebiet „Sachverständige Innenarchitektur“ widmen. Nur zu gerne greifen Architekten und Handwerker, die ebenfalls reichlich als Sachverständige tätig sind, in unsere ureigenes Aufgabengebiet ein und decken den Bedarf ab. Lassen wir uns unser Stück vom Kuchen nicht nehmen!
BDIA Innenarchitekt Arnold Derks ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und leitet seit 2011 den Arbeitskreis Sachverständige der Architektenkammer Niedersachsen.
Der Artikel erschien erstmals in der AIT 10/2014.