bdia ausgezeichnet! Master für Silvain L´Hermitte “R hoch 3 | Rethink-Reuse-Recycle”

Masterarbeit WS 2019/20 an der Hochschule Kaiserslautern
Betreuung: Prof. Werner Glas


R hoch 3 – Boutique, Atelier und Wohnraum unter einem Dach vereint

Wie gehen wir heutzutage mit Kleidung um? Fast Fashion, Massenkonsum und eine verschwenderische Wegwerfmentalität bestimmen die aktuelle Modeindustrie. Der gesamte Herstellungsprozess ist global aufgesplittet, sodass Produktion und Verkauf jeglichen Bezug zu einander verloren haben. Die ökologischen und sozialen Folgen sind vielen bekannt, dennoch wird nicht vernünftiger gehandelt.

Diese Master Abschlussarbeit beschäftigt sich mit dem Thema Mode und Nachhaltigkeit und stellt ein Konzept dar, welches das Ziel verfolgt, Produzent und Konsument wieder zusammen zu bringen. Daraus entstand ein Concept-Store, in dem Mode ganzheitlich hergestellt wird, vom Entwurf über das Nähen bis hin zum Verkauf. Dies übernehmen Mode schaffende Designer, die in  „R hoch 3“ nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen.

Der Name „R hoch 3“ leitet sich von den Maximen des Stores ab. Rethink regt dazu an, das gängige Konsumverhalten zu hinterfragen. Reuse appelliert an einen vernünftigeren Umgang mit dem, was man schon besitzt. Recycle ermutigt den sinnvollen Umgang mit gebrauchten Textilien.
Damit geht „R hoch 3“ weit über ein gewöhnliches Geschäft hinaus: Wohnen, Arbeiten und Verkaufen finden in diesem Projekt unter einem Dach statt, wobei der Verkaufsraum mit den angeschlossenen Ateliers den Schwerpunkt bildet. Außerdem verfolgt der Concept-Store eine Meet-the-Maker-Philosophie. Ein Ort der Begegnung, an dem Produzent und Konsument auf einander treffen und in Dialog treten können. Als Kunde erlebt man mit eigenen Augen die Herstellung der Kleidungsstücke und es wird ein modetechnisches Handwerk inszeniert, zu welchem viele Menschen auf Grund des Überangebotes den Bezug verloren haben.
In einem Bestandsgebäude in der Innenstadt von Kaiserslautern erhält „R hoch 3“ Einzug. Das spitz zulaufende Eckhaus befindet sich an einer optisch markanten Stelle und hebt sich vor allem durch seine Vertikalität von der Nachbarbebauung ab. Darüber hinaus verfügt es über einen zweigeschossigen Verkaufsraum, weshalb eine gewerbliche Nutzung für sich spricht.

„R hoch 3“ bewegt sich zwischen einer klassischen Boutique und einem Second-Hand-Shop. Der Stil der Kleidung reicht von zeitlosen Minimalismus bis hin zu auffälligen Standout-Pieces, die über zwei Etagen hinweg präsentiert werden. Das Erdgeschoss beinhaltet zwei Ateliers, die von Außen gut einsehbar sind.
>Dadurch wird Passanten von Beginn an signalisiert, das transparent gearbeitet wird und es findet eine visuelle Einbindung in den Herstellungsprozess statt. Daneben befindet sich im Erdgeschoss auch die Empfangslounge. Dort werden alle Kunden begrüßt und als Ort der Begegnung können dort erste Kontakte zu den Designern entstehen. Die Ausstattung mit Sitzmöbeln und einer Teeküche hinter der Kassentheke lädt den Kunden zum längeren Verweilen ein.

Im ersten Obergeschoss beginnt die eigentliche Verkaufsfläche. Der Raum öffnet sich zur Mitte hin über zwei Etagen, wovon die obere als Galerie ausgebildet ist und einen weiteren Arbeitsplatz umfasst. Fast alle Warenträger sind entlang der Wände angeordnet, wodurch sich breite Bewegungszonen ergeben. Diese sind mit einem samtigen Teppichboden ausgelegt, der den Kunden durch den Raum leitet. An beiden Enden befinden sich Umkleiden, in denen sich der Teppich als textiler Wandbelag fortsetzt. Sitzgelegenheiten auf der gesamten Verkaufsfläche betonen das Thema Entschleunigung beim Einkaufen und bieten Platz für anregende Gespräche. Die Warenträger entlang der Fassade greifen die Rahmenelemente im Erdgeschoss auf und sind flexibel auf bestimmte Kleidungsstücke anpassbar. Durch ein umlaufendes Profil können Kleiderstangen und Präsentationsflächen in beliebiger Position und Höhe angebracht werden.

Die Materialität orientiert sich zum einen am Bestand und zum anderen an der Mode selbst, die sich durch simple und auffällige Stücke auszeichnet. Der Fußboden im Bestand ist mit einem dunkelgrauen Betonestrich belegt. Die Wände und Decken orientieren sich daran und sind mit einem Steinspachtel verputzt, wodurch eine farbneutrale Basis gegeben ist. Die gesamte Farbigkeit leitet sich von der Bestandstreppe ab, die mit einem roten Terrazzo belegt ist. Im Zuschlag des Terrazzos stecken verschiedene Farbtöne, aus denen das Farbspektrum hervor gegangen ist. Sie reichen von zartem Puderrosa bis hin zu Rotviolett, die in der Innenraumgestaltung immer wieder auftauchen. Ein Gegengewicht zur rötlichen Farbpalette schafft ein gedämpftes Blaugrün, das als Komplementärkontrast dient und sich an ausgewählten Einbaumöbeln und Wandabschnitten wiederfindet.
Silvain L´Hermitte


Jurybegründung: gute Grundrisslösung, interessantes Modell, gute Materialwahl